Aus dem Wolfratshauser Amtsgericht:Gefährliche Arbeitspraxis

Lesezeit: 2 min

Weil er einen Gabelstapler als Hebebühne missbrauchte, erlitt ein Arbeiter Frakturen. Sein Vorgesetzter muss vor Gericht.

Von Paul Schäufele, Wolfratshausen

Mit einem doppelten Hüftbruch und einer Ellenbogenfraktur endete im vergangenen Jahr der Arbeitstag für einen gelernten Schlosser in einer Geretsrieder Firma. Am Montag stand nun sein Vorgesetzter wegen des Arbeitsunfalls vor dem Wolfratshauser Amtsgericht.

Auf die Frage von Richter Helmut Berger, wie sich der Vorgesetzte mit seinen kroatisch sprechenden Arbeitern verständige, antwortete der Angeklagte, das ginge zwar auf Deutsch, man müsse aber Hände und Füße zu Hilfe nehmen. Offenbar kam es dabei zu Unstimmigkeiten in der Kommunikation, der Arbeitsunfall war die Folge. Der Angeklagte, Metallbaumeister und Leiter der Werkstatthalle einer Geretsrieder Firma, soll im November vergangenen Jahres zwei seiner Arbeiter den Auftrag gegeben haben, Reparaturarbeiten an einer Containerüberdachung auszuführen. Die Kunststoffplane war durch Wettereinwirkung während eines Sturms verrutscht. Um die Überdachung wieder in Position zu bringen, habe der Angeklagte die Anweisung gegeben, sich eines Gabelstaplers und einer Transportbox zu bedienen, wohl um Gerüstteile zu transportieren. Er selbst habe sich dann entfernt, um weiteres Material zu beschaffen, unter anderem Kabelbinder zur Wiederherstellung der Containerüberdachung. Als der Angeklagte zurückkehrte, fand er einen seiner Arbeiter verletzt am Boden liegend.

Der Verletzte, ein gelernter Schlosser, hatte sich in die Transportbox gestellt und sich in dieser mit dem Gabelstapler auf eineinhalb bis zwei Meter Höhe heben lassen. Die Gitterbox, ohnehin nur für Materialtransport vorgesehen, war lediglich behelfsmäßig mit zwei Schraubzwingen gesichert worden. Diese mussten sich gelöst haben. Der Mann kippte zusammen mit der Box vornüber und fiel auf den harten Steinboden. Die Frakturen waren die Folge. Mit Krankenhausaufenthalten und rehabilitativen Maßnahmen vergingen über sechs Monate, bis er wieder anfangen konnte zu arbeiten.

Im Fokus der Verhandlung stand die Frage, ob der Vorgesetzte mit seiner Anweisung klargemacht hatte, auf welche Weise die Überdachung wieder positioniert werden sollte, ob also mithilfe eines Gerüstes oder, entgegen den Sicherheitsvorschriften, unter Zuhilfenahme der Transportbox. Das Verfahren, eine solche Gitterbox auf die Zinken des Gabelstaplers aufzuladen, um damit einen Menschen anzuheben, sei weit verbreitet. Das gab der Angeklagte zu, betonte jedoch, er selbst habe nie anderen die Anweisung gegeben, so zu verfahren. Hier blieben die Aussagen vor Gericht widersprüchlich. Die beiden Zeugen bestanden darauf, die eindeutige Anweisung erhalten zu haben, den Gabelstapler so zu verwenden. Amtsrichter Berger entgegnete, dass sie, selbst wenn die Anweisung so gelautet hätte, in der Verantwortung gewesen wären, die offenkundige Verletzung der Sicherheitsvorschriften zu beanstanden. Beide Arbeiter hatten die Prüfung zum Erhalt eines Gabelstaplerführerscheins bestanden. Gegenstand dieser Prüfung sind auch Sicherheitsbestimmungen. Sie hätten also dem Chef widersprechen oder eigenmächtig ein Gerüst aufbauen sollen. Wegen der unklaren Sachlage wurde das Verfahren gegen eine Zahlung einer Geldauflage eingestellt. Der Angeklagte muss 1500 Euro an einen gemeinnützigen Verein zahlen.

© SZ vom 31.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: