Aus dem Amtsgericht:Mit dem Unkrautstecher gegen Motorradfahrer

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Ein Mittvierziger wird verurteilt, weil er aus Wut einen 25-Jährigen attackiert hat, der auf seiner Maschine Tricks vollführte.

Von Benjamin Engel, Wolfratshausen

Als er von der Attacke erzählt, wirkt der 25-jährige Penzberger Motorradfahrer sichtlich mitgenommen. Mitten im Satz stockt er und muss weinen. "Ich dachte kurz, vielleicht ist das heute mein letzter Tag", sagt er. Auf einer schmalen Nebenstraße im Landkreis war der junge Mann im Juli des Vorjahres mit seiner Maschine unterwegs. Er machte sogenannte Wheelies, das heißt, er fuhr nur auf dem Hinterrad, als sich ihm ein heute 47-jähriger Bauingenieur mit einem Unkrautstecher in den Weg stellte. Mit dem Gerät stieß der Mann Richtung Hals, Schulter, Brust und Helm des Motorradfahrers, ohne diesen allerdings schwer zu verletzen. Am Schöffengericht Wolfratshausen wurde der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung und Nötigung zu einer zehnmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt.

Im Angeklagten muss es schon länger rumort haben. Er berichtet, dass auf der schmalen Straße ohne viel Verkehr immer wieder Auto- und Motorradfahrer ihre Grenzen testen wollten. "Die geben richtig Gas." Auf ihren Maschinen probierten einige Jungs alle möglichen Sachen aus. Als er an dem Juliabend auf dem Feld direkt neben der Straße arbeitete, habe er das Dröhnen der Motoren schon eine halbe Stunde lang gehört. Dann sei der junge Mann an ihm vorbeigefahren. Er habe sich dem Motorradfahrer in den Weg gestellt, um ihn zu belehren, dass er solche Manöver nicht machen solle. "In dem Moment hatte ich eine Riesenwut", sagt der Angeklagte.

Er habe vier Kinder, die er habe schützen wollen. Kurz nach dem Vorfall hätten vorbeirasende Motorradfahrer seine Schafherde so verschreckt, dass die Tiere in alle Richtungen davongestoben seien.

Auf die Tränen des jungen Motorradfahrers in der Verhandlung reagiert der Angeklagte betroffen. "Wenn ich sehe, was in dir passiert, tut es mir wirklich leid", sagt der Bauingenieur. Er habe immer gedacht, Motorradfahrer seien harte Jungs.

Auf dem Motorrad Tricks zu machen, zu driften oder etwa nur auf dem Hinterrad zu fahren, damit hat der junge Mann vor zwei Jahren begonnen. "Das ist halt meine Leidenschaft", sagt er. Gelegentlich filme er das auch. An dem Abend der Attacke habe er eine Kamera auf dem Helm gehabt.

Von einem "schwierigen Hobby" spricht der Mann. Er berichtet, sich sogar einen festen Platz für seine Tricks gesucht zu haben, um Konflikte zu vermeiden. An dem Juliabend vor zehn Monaten habe er dafür ein neues Motorrad ausprobieren wollen und habe eine Feierabendrunde gedreht. Kein Mensch sei auf der Strecke unterwegs gewesen. "Ich habe das Vorderrad hochgezogen, aber nur in Bereichen, wo ich sehe, da ist keiner." Dann habe er den in der Mitte der Straße stehenden Angeklagten gesehen und angehalten. "Er war außer Rand und Band", berichtet er. Zuerst habe der Mann mit dem Unkrautstecher gegen den Reifen seiner Maschine gehauen, dann in Richtung Hals. "Ich hatte zum ersten Mal in meinem Leben Todesangst." Auf dem Video ist zu hören, wie der junge Mann mehrmals "Stich mich nicht ab" ruft.

Während der Auseinandersetzung hatte der Motorradfahrer nach dem Unkrautstecher gegriffen und mit dem Angeklagten gerangelt. Erst dessen Frau stoppte die Attacke, indem sie dazwischenging. Der Motorradfahrer fuhr weg und zeigte den Angeklagten bei der Polizei an. Inzwischen haben sich beide über einen Täter-Opfer-Ausgleich verständigt. Der Angeklagte hat 1500 Euro Schmerzensgeld gezahlt.

Auch die Sicht seines Mandanten zu sehen, bittet dessen Verteidiger. Über einen längeren Zeitraum hätten Motorradfahrer diesen genervt. Sein Mandant habe das hinnehmen müssen. Die Behörden hätten nichts unternommen. Der Bauingenieur habe sich in der Rolle des schützenden Familienvaters gesehen. "Die Reaktion ist natürlich völlig falsch", sagt der Verteidiger. Eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen sei ausreichend.

Für Richter Helmut Berger ist eine Geldstrafe hier außerhalb jeder Möglichkeit. "Was da passiert ist, sprengt alle Vorstellungen", sagt er. "Hier sieht jemand rot." Mit einem Ausraster sei das nicht mehr zu entschuldigen. Er verstehe nicht, wie jemand mit einem Unkrautstecher auf Brust und Hals einstechen könne. Sein Ärger über die Motorradfahrer gebe ihm nicht das Recht, Selbstjustiz zu üben. Dass die Staatsanwältin nur zehn Monate Bewährungsstrafe gefordert habe, sei sehr moderat - dennoch schloss er sich an.

Zudem muss der Angeklagte 2000 Euro an die Bergwacht Bayern zahlen. "Ich nehme an, dass Sie sich in Zaum halten", mahnte Berger.

© SZ vom 28.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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