Auch im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen:Apotheker streiken: "Das geht so nicht weiter"

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Christopher Hummel leitet die Michaeli-Apotheke in Gaißach. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Sprecher Christopher Hummel war mit Kolleginnen und Kollegen bei der Protestkundgebung in Stuttgart. Alle klagen über Medikamentenmangel, zu viel Bürokratie und zu geringe Bezahlung.

Von Benjamin Engel und Quirin Hacker, Bad Tölz-Wolfratshausen

Die aktuellen Arbeitsbedingungen sind für Christopher Hummel "besorgniserregend": Der regionale Sprecher des Bayerischen Apothekerverbands kennt persönlich fünf Kolleginnen und Kollegen aus den Landkreisen Bad Tölz-Wolfratshausen, Weilheim-Schongau und Miesbach, die kommendes Jahr schließen wollen. Ändere sich an den Problemen mit Medikamentenmangel, zu viel Bürokratie und zu wenig Bezahlung nichts, fürchtet Hummel ein sich beschleunigendes Apothekensterben. Daher hat er gemeinsam mit Kollegen aus Bayern und Baden-Württemberg am Mittwoch in Stuttgart gestreikt. An diesem Tag blieben Hummels Apotheken in Gaißach und Bad Heilbrunn zu.

Wirklich glücklich ist Hummel damit nicht. "Wir wollen ja gar nicht streiken", sagt er. Denn darunter litten die Patienten. Doch lasse die Lage den Apotheken keine andere Wahl, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. So wollen Apotheker und Mitarbeitende endlich besser bezahlt werden. Hummel sagt, es habe seit 15 Jahren keine Erhöhungen mehr gegeben. Zudem müsse die Bürokratie dringend entschlackt werden, wenn etwa Medikamente nicht lieferbar seien. "Wir sind Dienstleister am Patienten", sagt er. Statt diese beraten zu können, müsse er Dreiviertel des Tages mit Krankenkassenvertretern, Großhändlern und Ärzten telefonieren, um Lösungen zu finden. "Das geht so nicht weiter."

Hummel spricht von einem "sehr hitzigen Streiktag". Mehr als 5000 Menschen hätten demonstriert. Politiker und viele Verbandsvertreter seien zugegen gewesen. Aus dem Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen mit seinen etwa zwei Dutzend Apotheken seien seiner Kenntnis nach um die 50 Apothekerinnen und Apotheker mit Mitarbeitenden nach Stuttgart gefahren. Durch den breiten Zusammenhalt fühlte er sich bestärkt, sagt Hummel.

"Wir bekommen die Medikamente nicht her"

Bei Elisabeth Keller stapeln sich die Rezepte - "weil wir die Medikamente nicht herbekommen", sagt die Angestellte der Hubertus-Apotheke in Kochel. Nur selten habe sie Rezepte, bei denen sie nicht auf einen anderen Hersteller, andere Packungsgrößen oder andere Stärken ausweichen muss. Das bedeutet erheblich mehr Aufwand.

Wer im Landkreis nach dem Medikamentenmangel fragt, erhält ein ernüchterndes Bild der Versorgungslage, teilweise von wütenden Apothekern. Zwar habe sich, so heißt es, die Lage im Vergleich zum Anfang des Jahres ein wenig gebessert. Bei Eva Löhle waren es im ersten Quartal rund 200 Medikamente, die nicht geliefert werden konnten. Derzeit stehen "nur" noch 150 Arzneien auf der Liste der Alten Apotheke Lenggries. Fiebersäfte und Antibiotika für Kinder seien Anfang des Jahres knapp gewesen. Wolfram Keller vermisst derzeit Augenarzneimittel und Blutdrucksenker. Es fehle auch an Medikamenten, die nicht verschreibungspflichtig sind. "Beispielsweise Nasenspray oder Magenmittel", sagt Christopher Hummel.

Die Kunden seien inzwischen mit dem Problem vertraut, so Keller. "Die meisten ertragen es mit stoischer Ruhe." Auch Löhles Kunden in Lenggries zeigen Verständnis, wenn ihr Medikament von einem anderen Hersteller kommt, als auf dem Rezept angegeben ist. Wenn keine Alternative gefunden werden kann, telefoniert Elisabeth Keller ihre Kollegen ab, ob die noch etwas auf Vorrat haben. Rare Medikamente reserviert sie beim Großhandel vor. "Wir versorgen ein Altenheim, die Kunden sind auf uns angewiesen", sagt sie.

Rabattverträge mit den Kassen erschweren die Lieferung

Medikamente, die in Deutschlands Apotheken über den Ladentisch gehen, werden fast ausnahmslos in asiatischen Ländern produziert. Als im Zuge der Corona-Pandemie Importe ausfielen, führte das zu Mangelversorgung. Lieferengpässe bestehen jedoch fort, obwohl nun Importe wieder möglich sind. Unabhängig voneinander nennen die vier Apotheker aus dem Landkreis dafür einen Grund: die Rabattverträge.

Krankenkassen handelten, so die Apotheker, die Preise so weit nach unten, dass internationale Pharmaunternehmen bevorzugt an Länder liefern, in denen sie mehr Geld für ihr Produkt bekommen. Durch den Preisdruck verlagern Hersteller ihre Produktion außerdem in Länder, in denen der Lohn billig ist - laut Hummel ein Todesurteil für die Produktion von Medikamenten in Deutschland und Europa.

Vorrat für maximal zwei Monate anlegen

Elisabeth Keller hat noch eine weitere Erklärung für die Engpässe: Die Maskenpflicht habe für weniger Erkältungen und Magen-Darm-Erkrankungen gesorgt. Der Bedarf an entsprechenden Medikamenten sank und die Hersteller reagierten mit gedrosselter Produktion. Nach dem Ende der Maskenpflicht sei der Bedarf jedoch gestiegen und die Mittel knapp.

Die Apotheker gehen nicht davon aus, dass sich die Versorgungslage bald bessern wird, auch trotz des Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetzes (ALBVVG), das das Bundesgesundheitsministerium auf den Weg gebracht hat. "Dafür müsste man Grundlegendes ändern", sagt Hummel. Er plädiert für eine weitreichende Reform der Rabattverträge und mehr Auftragssicherheit für die Hersteller.

Nicht zuletzt trügen auch die Medien Schuld an der schlechten Versorgungslage, meint Löhle: "Wenn man schreibt, es gibt einen Mangel, dann laufen alle gleich los und decken sich ein", sagt sie. "Dann wird der Mangel natürlich größer." Sie rät deshalb, Medikamente maximal für zwei Monate auf Vorrat zu kaufen.

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