Am Schwankl-Eck in Wolfratshausen:Aufwärts mit der Kunst

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Der Wolfratshauser Künstler Hamit Cordan hat im Kunstturm ausgestellt. (Foto: Manfred Neubauer)

Hamit Cordan stellt Ölgemälde und kolorierte Tiefdrucke auf Büttenpapier aus. Seine Schau ist ein Bekenntnis zu diesem Standort der Kultur

Von Felicitas Amler, Wolfratshausen

Drei Bilder genügen, um zu sehen, was dieser Künstler kann. Sie hängen im Entree des Kunst-Turms am Schwankl-Eck. Drei Köpfe. Einer, in der Mitte, zieht die Blicke stärker auf sich. Es ist ein kubistisches Gemälde in Öl auf Leinwand. Warme, leuchtende Töne, wenig Blau, Grün und Rot mit viel Gelb - jener Farbe, die Hamit Cordan so besonders mag. "Denn das ist ja das Licht." Links und rechts dieser Arbeit zweimal der scheinbar identische Kopf, kleiner aber, spiegelverkehrt und in ganz anderer Technik: in handkoloriertem Tiefdruck auf Büttenpapier, der rechte nur weiß und grau schattiert, der linke dezent farbig, wenig Blau, Grün und Rot, viel changierendes Gelb.

Wer diese drei Arbeiten genau angeschaut hat, weiß schon einmal eins: Hamit Cordan beherrscht sein Handwerk. Der 68-Jährige, der seit 35 Jahren in der Weidachmühle in Wolfratshausen lebt und arbeitet, hat Kunst studiert, bei Größen wie Mac Zimmermann und Jürgen Reipka, hat 1985 an der Akademie in München sein Diplom erworben und arbeitet seither als freischaffender Bildhauer und Maler.

In dieser Ausstellung ist aber viel mehr zu entdecken als handwerkliches Können. Cordan vermittelt mit seiner Kunst, was er im Gespräch ausstrahlt: Lebensfreude, Vitalität und einen unaufdringlichen Humor. Wenn eine Arbeit "Rot+Blau+Grün minus Blau" heißt, muss man genau hinsehen, um die Pointe in dieser künstlerischen Rechnung zu erkennen. Das überwiegend pur weiße Bild mit millimeterdünnem abstraktem Relief und wenigen hauchfeinen farbigen Linien erweist sich als raffiniertes Triptychon, bei dem auf einer Seite ein Stückchen Blau verloren geht. Unbeschreiblich. Also: Unbedingt anschauen!

Cordans Titel verraten viel über seine Einstellung zum Leben. Oft ist Bewegung darin, Entwicklung. "Aufwärts zum Glück", "Drei Schritte zur Sonne", "Flying", "Mit Farbleiter zum Glück" und dann gleich mehrmals "Aufwärts". Ja, sagt der Künstler, "weiter, immer weiter" müsse es doch gehen. Oder, wie er einst bei einer Retrospektive "Zeichnungen aus 30 Jahren" sagte: "Das Leben ist jeden Tag neu."

Kein Wunder, dass ein Künstler mit diesem Credo Patente entwickelt hat. Einen Rahmen, in den sich ein Bild ohne Werkzeug einspannen lässt, und diese besondere Art des Büttenpapier-Drucks, die in der Kunst-Turm-Schau dominiert. "Ein Leben ohne Kreativität wäre für ihn undenkbar", schreibt der Historiker Paul Hoser im Begleittext zu Cordans Ausstellung.

Schon die Vorbereitung seines speziellen Tiefdrucks sei für ihn "eine Zeremonie", sagt Cordan. Das Papier werde über Nacht zwischen feuchte Tücher gelegt, damit dann mit einer Presse Reliefs eingedruckt werden können. Dafür dürfe das Papier "nicht zu hoch und nicht zu flach sein". Und - eine hübsche kleine Schrulle - möglichst auch nicht neu. "Ich brauche immer etwas Verwendetes", sagt er, "altes Papier. Denn wenn es neu ist, das bremst mich." Ob man das als schreibender Mensch nicht kenne, fragt Cordan, diese "Hemmung" vor dem weißen Papier? Also nimmt er altes, gebrauchtes, gern auch vom Flohmarkt wie bei einem in Mischtechnik gearbeiteten Werk mit dem Titel "Konstruktion". Da hat Cordan vergilbtes Rechnungspapier verwendet, darauf mit gefärbten Schnüren kleine Schlangenlinien gepresst und darüber konstruktivistisch farbige Formen gemalt. Ein kleines großes Werk - leider unverkäuflich.

Eine andere Eigenheit findet sich in der größten ausgestellten Arbeit wieder - das Malen zu Musik. "Solea" heißt das Gemälde, das eine Halbetage des Split-LevelTurms beherrscht. Mit Öl auf Leinwand hat Cordan es gemalt, als er das letzte Lied auf dem Album "Sketches of Spain" des Jazz-Musikers Miles Davis hörte, dessen Titel eben "Solea" ist. Man müsste dieser Musik eigentlich beim Betrachten des Bildes lauschen, rät Cordan, dann könnte man hören, wie die Trompete sich zu den Sternen hinaufspielt, die auf seinem Gemälde eher verhalten leuchten. Funkeln können sie nicht, denn das verhindert der Künstler bewusst. Er grundiere seine Ölgemälde nie, erklärt er, "sonst glänzen sie, und das will ich nicht". Die Schönheit seiner Malerei ist also matt, aber mitnichten stumpf.

Hamit Cordan hat in der Weilachmühle eigentlich seinen eigenen Ausstellungsraum. Dass er sich jetzt im Kunst-Turm präsentiert, ist ein Bekenntnis, eine Demonstration. Er wolle diesen Ort inmitten der Stadt unterstützen und fördern, so wie es seiner Ansicht nach ganz Wolfratshausen, auch das politische, tun sollte. Denn die Kunst brauche ihren Platz im öffentlichen Leben genauso wie der Sport. Sie sei "Kopfnahrung", sagt Cordan. Der Kunst-Turm, der rein ehrenamtlich vom Kulturverein Isar-Loisach getragen wird, brauche Förderung. Man kann sich diesem Wunsch an die öffentliche Hand nur anschließen, am besten mit Cordan-Titeln: Möge es mit der zeitgenössischen Kunst in Wolfratshausen "aufwärts" gehen, "mit der Farbleiter zum Glück".

Obermarkt 33, Wolfratshausen; bis 28. November

© SZ vom 11.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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