Wohnen im Bunker:Lofts in der Trutzburg

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Schon als Baustelle ein Hingucker: In die zwei Meter dicken Wände des ehemaligen Bunkers in der Ungererstraße wurden große Fenster gebrochen. (Foto: N/A)

Ein Betonbunker aus der Nazi-Zeit wird zum Loft mit Blick auf die Altstadt und den Englischen Garten: Ein Münchner Immobilienunternehmer baut einen siebenstöckigen Klotz zu einem moderenen Wohngebäude um - und geht dabei äußerst raffiniert vor.

Von Alfred Dürr

Schöner wohnen in einem Bunker? In einem mächtigen, trutzigen Komplex aus der Nazizeit, mit meterdicken Wänden, an einer stark befahrenen Straße? Man glaubt es kaum, aber es funktioniert. Die Verwandlung eines massiven und einst hermetisch nach außen abgeschotteten Betonblocks in eines der ungewöhnlichsten neuen Wohnhäuser ist im Rohbau abgeschlossen. Vom Klotz zum Glanz: Ende des Jahres ist die Transformation des Hochbunkers an der Ungererstraße 158 in ein modernes Loftgebäude vollbracht.

Im Erdgeschoss und im ersten Stock wird dann die Berliner Galerie AEA Art et Architecture ihr neues Domizil in München finden. In den drei Etagen darüber entstehen großzügige Lofts mit jeweils 120 Quadratmeter Wohnfläche, die zur Miete angeboten werden. Das Ganze wird gekrönt von einer Penthouse-Wohnung. Deren 400 Quadratmeter Fläche erstrecken sich über drei Stockwerke. Sie schließt ab mit einem zurückgesetzten Terrassengeschoss und einem Dachgarten - mit phänomenalem Blick auf die Altstadt, den Nordfriedhof und den Englischen Garten.

Um 1943 entstand der Bunker im Norden Schwabings, am Rand des Nordfriedhofs und schräg gegenüber der Siedlung Alte Heide, wohl nach Plänen des Städtischen Hochbauamts. Es war ein siebengeschossiger Massivbetonbau mit Flachdach und Naturstein-Quadern an den Ecken. Schmale Blindfenster "zierten" die Fassade. Außer der Zugangstür und den Ventilationsschächten gab es keinerlei Öffnungen in dem Gebäude, sodass der Bunker für maximal 650 Personen auch als Schutzraum vor chemischen oder atomaren Angriffen genutzt werden konnte.

"Zwei Meter dicke Wände und kein Tageslicht. Das war ein unglaublich bedrückendes Gefühl", sagt Stefan Höglmaier, 38, der Gründer und Chef des architektonisch ambitionierten Münchner Immobilienunternehmens Euroboden. Mit dem Ende des Kalten Krieges brauchte man solche ABC-Bunker nicht mehr. 2010 bot die Liegenschaftsverwaltung des Bundes das Bauwerk zum Verkauf an. Was aber macht man aus so einer Burg? Der Markt gierte nicht gerade nach solch einer Immobilie. Aber Höglmaier griff zu. Eine verwegene Aktion, könnte man meinen: Der Bunker stand als Zeugnis aus der Zeit des Nationalsozialismus unter Denkmalschutz, eine Umbaugenehmigung gab es noch nicht, und sich hier Luxuswohnungen vorzustellen, erforderte schon einiges an Phantasie.

Jetzt steht Höglmaier vor seiner exquisiten Baustelle und freut sich über das mutige Projekt: "Ein Unikat mit hohen architektonischen Werten. Das macht es zu etwas Besonderem." Dafür lohne es sich, sehr viel Geld zu investieren. Wie viel genau? Kein Kommentar! Die Erhaltung geschichtlicher Substanz gepaart mit hohem gestalterischen Anspruch - hier lasse es sich erfüllen. Dabei solle der Bunker nicht zu einem "hübschen oder gefälligen" Wohnhaus werden. Beim Gang über die Baustelle zeigt der Investor markante Stellen: Die nackten Betonwände des Treppenhauses, das ursprüngliche Geländer, die alten Stufen und zum Beispiel auch die Decken in den großzügigen Wohnräumen bleiben in ihrem rohen Urzustand erhalten.

Nicht verändert wird auch die Fassade in ihren Grundzügen. Ohne Tageslicht sind aber keine Wohnungen möglich. Deswegen wurde in jede Außenwand und in jede Etage mit schwerem Gerät jeweils eine annähernd raumhohe Fensteröffnung geschnitten. Entstanden sind in der meterdicken Wand gemütlich wirkende Raumnischen. Fränzi Essler, Tim Sittmann-Haury und Walter Waldrauch vom Büro Raumstation Architekten in Starnberg haben es als große Herausforderung gesehen, dem Bauwerk eine neue Nutzung zu geben, dabei aber die Figur des Bunkers nicht infrage zu stellen. Vor gut zwei Jahren begutachtete die Architekturfachleute der Stadtgestaltungskommission das Projekt, und sie waren voll des Lobes. Beispielhaft werde der sensible Umgang mit einem denkmalgeschützten Gebäude demonstriert.

Ein engagierter Bauherr hat sich hier seinen Traum vom schöner Wohnen erfüllt. Höglmaier zieht nämlich selbst ins Penthouse ein, in seinen Bunker.

Hochbunker an der Münchner Blumenstraße. (Foto: Alessandra Schellnegger)
Bunker am Oertelplatz in Allach. (Foto: Robert Haas)
Bunker am Schyrenbad. (Foto: N/A)
© SZ vom 08.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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