Ein Orchester kann auch ein Statement sein. Für das West-Eastern Divan Orchester, 1999 gegründet von Daniel Barenboim und Edward Said, sollte es die Überwindung des israelisch-palästinensischen Konflikts in gemeinsamem Musizieren sein. Da war sein Namensgeber Goethe vor 200 Jahren schon weiter als die aktuelle Politik: "Orient und Occident sind nicht mehr zu trennen" - die idealistische Devise. Mit dem Programm der kammermusikalischen Formation des Orchesters schlug der Sohn des Vaters Barenboim, Michael, im Herkulessaal auch eine Brücke zwischen Avantgarde und Tradition. Denn zwischen Schubert und Brahms gab es Pierre Boulez und Benjamin Attavir.
Im Rondo A-Dur des frühen Schubert entzückte noch die Leichtigkeit des Seins. Aber mit "Jawb" für Streichoktett des libanesisch stämmigen Benjamin Attahir überwältigte geballte Intensität. Vielleicht von ferne inspiriert durch Mendelssohns berühmtes Oktett, demonstrierte das Auftragswerk für das Ensemble fast sinfonische Kraft. Sie verdankte sich allerdings weniger intensiver Satzarbeit, sondern mehr engräumiger Chromatik, denn Attahir dekoriert im Grunde nur die Monodie, jene Einstimmigkeit, die strukturelle Essenz arabischer Musik ist. Inmitten ihrer dichten Umkreisungen, vor allem mit sonoren Celli, brillierte aber Michael Barenboim, der Konzertmeister des Ensembles, mit violinistischen Solokünsten.
Noch mehr Brillanz lieferte er dann mit "Anthémes 1" von Boulez. Der konstruiert zwischen der Statik von Harmonien aus hebräischen Zahlenkünsten mittels eines Siebentonmotivs und ekstatischen Kontrastmetren ein disparates, supranaturales Klangspektrum das Michael Barenboim zum Exerzitium geigerischer Hochseilakrobatik machte. Bei Brahms fand das Ensemble dann im ersten Streichquartett B-Dur wieder zu naturalistischen Klängen, besonders im Variations-Andante mit seinem kantablen Charme.