Weihnachtswünsche von Kindern in Not:Der Schwester die Krankheit weghexen

Lesezeit: 8 min

Ihr Vater starb 2012 innerhalb weniger Monate an Krebs: Marithe, Yans und Genevieve hat der Verlust schwer getroffen. (Foto: Florian Peljak)
  • Viele Eltern können sich Weihnachtsgeschenke für ihre Kinder kaum leisten. Dabei wäre die Bescherung gerade für Familien in schwierigen Lebenssituationen ein kleiner Lichtblick.
  • Mit den Spenden der Leser kann der SZ-Adventskalender helfen.

Gemeinsamer Urlaub

Die fünfjährige Shantey hat sich so auf ihr Geschwisterchen gefreut. Gerade weil es ein Brüderchen werden sollte. Und dann das: Komplikationen bei der Geburt vor einem Jahr, der kleine Celestino muss beatmet werden, ist teilweise gelähmt, musste phasenweise per Sonde ernährt werden. Da hat sich Shantey sehr um ihren Bruder gesorgt und sich zurückgenommen. Ganz reif habe sie sich verhalten, sagt ihre alleinerziehende Mutter, und es nicht übel genommen, dass es so viel um ihren Bruder gegangen sei und kaum um sie. Ein Kurzurlaub täte der ganzen Familie gut, sagt die Bezirkssozialarbeiterin, doch das ist nicht drin, weil die Mutter wegen der Betreuung ihres pflegebedürftigen Sohnes nicht arbeiten kann. Außerdem hat Shantey Puppen aus ihrem Lieblingsfilm "Die Eiskönigin" und Bettwäsche auf den Wunschzettel geschrieben. Dringend müsste auch die Wohnung renoviert werden.

Neue Anziehsachen

Seit Mitte November steht Georgs Christbaum schon im Wohnzimmer, bunt geschmückt und hell erleuchtet, das war dem Sechsjährigen ganz wichtig. Im vergangenen Jahr hatte Georg nämlich keinen Weihnachtsbaum. Er lag auf der Intensivstation, wo nicht mal Spielzeug erlaubt war. Kurz vor dem ersten Advent war ein Tumor im Bauch des Jungen entdeckt worden, überall Metastasen. Zweimal wurde Georg operiert, die Ärzte gaben ihm nur eine fünfprozentige Chance, dass er jemals wieder würde laufen können. Aber Georg schaffte es. Georg läuft. Im März konnte er zum ersten Mal wieder nach Hause. Seitdem reiht sich für Georg eine Chemotherapie an die nächste.

Sein kleiner Bruder Junel, 5, durfte das ganze Jahr nicht in den Kindergarten gehen, damit er keine Erkältung mit nach Hause bringt und Georg ansteckt. Die Mutter der Jungen hatte gerade einen neuen Job angefangen - und verlor ihn wieder, weil sie zu Hause die Kinder betreuen musste. Jetzt ist das Geld besonders knapp. Was ihnen Hoffnung macht: An guten Tagen kann Georg schon wieder toben. Im neuen Jahr darf er auch wieder zur Schule gehen. Vorher braucht Georg aber neue Kleidung. Durch die Chemotherapie hat er viel Gewicht verloren. Weil seine Muskeln noch schwach sind, wünscht Georg sich auch ein neues Fahrrad. Junel soll ebenfalls ein Fahrrad bekommen, sagt Georg. Für den kleinen Bruder sei das vergangene Jahr ja auch schwer gewesen.

Einmal shoppen gehen

"Wir haben dich lieb, Mama." Das steht auf dem Kalender, der an der Wand im Wohnzimmer hängt. Adrian, 14, und Adriana, 15, haben ihn für ihre Mutter gebastelt. Wegen einer chronischen Wirbelsäulenerkrankung ist sie berufsunfähig. Die kleine Familie musste in den vergangenen Jahren oft zusammenrücken. Und Adrian und Adriana stecken viel zurück, sparen selbst, wo es nur geht. Da ist es Adrianas Traum, einmal shoppen gehen zu können, ohne sich Sorgen machen zu müssen. Sie hätte gerne eine Handtasche und bräuchte dringend Schuhe. Ihr größter Traum ist aber, Schauspielerin zu werden. Adrian fährt gern Rad, sooft es geht, kreuz und quer durch München. Aber seines ist kaputt und zu klein geworden. Er braucht ein neues. Beide wünschen sich außerdem, zusammen einen Gokart-Kurs zu machen.

Fahrräder wären toll

Seit zwei Jahren spricht Yans kaum noch ein Wort. Der Sechsjährige ist traumatisiert, seit sein Vater 2012 innerhalb weniger Monate an Krebs starb. Noch immer braucht Yans eine Windel, tagsüber wird er in einer heilpädagogischen Einrichtung betreut. Seine Schwestern Genevieve, 7, und Marithe, 3, hätten den Verlust des Vaters besser verkraftet, sagt Mutter Bijou. Leicht sei es aber für keines der Kinder gewesen: Damit sie möglichst wenig von der Trauer ihrer Verwandten mitbekommen, mussten die Kinder vor der Beerdigung des Vaters vorübergehend in ein Heim. Yans hat das noch immer nicht verarbeitet. Zu viert lebt die Familie in einer kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung. Seit Mutter Bijou vor neun Jahren aus dem Kongo fliehen musste, findet sie keine Arbeit. Vom Lohn des Vaters ist der Familie nur eine kleine Rente geblieben, die gerade für das Nötigste reicht.

Fahrräder wären schön, sagt Genevieve. Das könnte auch Yans Entwicklung helfen. Und dann sind da noch die Betten: Die Lattenroste der Kinder sind an mehreren Stellen gebrochen und immer wieder notdürftig mit Klebeband repariert worden. Bei jeder Bewegung quietscht es. Bijou wünscht sich für die Zukunft, ihren Kindern auch mal kleine Wünsche erfüllen zu können. "Die Mädchen wünschen sich so sehr eine Barbiepuppe."

Märchenträume

An die Wand im Kinderzimmer hat die Mutter Cinderella gemalt. Das ist das Lieblingsmärchen von Shenay, 12, von ihren Freunden auch Joy genannt, weil sie immer so fröhlich ist. Jetzt sitzt sie mit ihrer älteren Schwester Moesha, 14, und der jüngeren Noelle, 7, in dem rosa gestalteten Raum und schwärmt von den Märchen. Die drei lieben die Disneyfilme, die Feen, Zauberer und Prinzessinnen. Weil der Vater nach einem schweren Autounfall in seiner Kindheit schwer eingeschränkt und chronischer Schmerzpatient ist und die Mutter wegen ihrer schweren Allergien kaum arbeiten kann, sind die Mädchen noch nie verreist. Dafür reicht das Geld nicht. Die drei träumen davon, einmal wegzufahren. Am liebsten würden sie im Disneyland Paris in ihre Traumwelt eintauchen. Sie wissen schon, was sie als erstes machen würden: "Die Parade anschauen", sagt Noelle. Die Eltern wünschen sich vom Christkind Gesundheit; für die Familie, besonders für die Kinder.

Ein eigenes Bett

Rihanna, 7, und Thayanna, 6, kommen aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus: Ein Prinzessinnenzimmer soll es werden, alles in rosa, mit Hochbetten. Momentan haben die Schwestern nur ein schmales Einzelbett, unter dem eine zweite Matratze zum Schlafen hervorgeholt wird. Dazu ein Regal mit ein paar Büchern und Plüschtieren. Für mehr hat das Geld bislang nicht gereicht. Rihanna und Thayanna haben noch nie Freundinnen zu sich eingeladen. Die sollen ihr Zimmer so nicht sehen. Der Vater der Mädchen verließ die Familie, als die Kinder noch klein waren, seitdem kümmert sich Mutter Maria allein um die beiden. Weil sie keine Arbeit findet, ist das Geld immer knapp. Ihre Verwandten in Brasilien haben Rihanna und Thayanna noch nie gesehen, die Flüge sind zu teuer. Eines Tages wollen sie hinfliegen und alle Familienmitglieder kennenlernen. Vorher ist aber das Prinzessinnenzimmer dran. Mit ihren neuen Hochbetten soll sich das ändern. Rihanna weiß schon genau, was sie vor hat, wenn das Zimmer fertig ist: "Wir laden alle unsere Freundinnen zu einer großen Pyjamaparty ein, mit Übernachten!"

Kleiner Fan

Am liebsten mag Alex den FC-Bayern-Spieler Robert Lewandowski. Der ist zwar Stürmer und er selbst spielt in der Abwehr, aber Lewandowski ist einfach der beste. Alex mag aber auch Philipp Lahm, Torwart Manuel Neuer, Thomas Müller. Hauptsache FC Bayern. Alex liebt Sport und trainiert zweimal die Woche im Verein. Seine Idole einmal treffen zu können und einmal beim Training zuzusehen, ist sein großer Traum. Er könnte aber auch ein Fahrrad brauchen, um zum Training zu radeln oder seine Freunde zu besuchen. Das ist leider für die Mutter nicht machbar im Moment. Nach einer plötzlichen, langwierigen Krankheit hat sie ihren Arbeitsplatz verloren und bringt sich und ihren Sohn gerade so über die Runden.

Neues Zuhause

Die 17-jährige Rahaf hat eine wahre Odyssee hinter sich. Vor Bürgerkrieg und Terror floh die junge Palästinenserin mit ihrer Familie aus der syrischen Hauptstadt Damaskus in den Libanon. Von dort schlug sich die Familie nach Ägypten durch, reiste per Schiff nach Italien und kam über Frankreich nach Deutschland. Seit einem Jahr lebt die zehnköpfige Familie in der Dachauer Sammelunterkunft für Asylbewerber. Rahaf teilt sich ein Zimmer mit Bruder und Schwester. Alle Versuche der Familie, im Landkreis Dachau ein Haus für die drei Erwachsenen und sieben Kinder im Alter von zwei bis 21 Jahren zu finden, sind bislang gescheitert. Am Geld lag es gar nicht; die Wohnkosten würde die Agentur für Arbeit übernehmen. Nur: Auf die Annoncen der Familie hat sich bisher nie jemand gemeldet. In der Mittelschule lernt Rahaf Deutsch in einer Übergangsklasse. Bei ihren Mitschülern ist das Mädchen sehr beliebt. Alle wünschen sich, dass Rahaf endlich ein eigenes Zuhause in Deutschland bekommt. Sie selbst wünscht sich nichts sehnlicher, als wieder nach Syrien zurückzukehren, doch das ist zu gefährlich. Nach wie vor sterben dort jeden Monat Tausende von Menschen durch Bomben und Artillerie.

SZ-Adventskalender
:Wenn das Geld trotz Vollzeitjob nicht reicht

Die Familie von Khaled A. lebt seit vielen Jahren in Deutschland, sie ist gut integriert. Doch seit die Syrer ihren Verwandten in türkischen Flüchtlingslagern zur Hilfe kamen, sind sie nun selbst in Not.

Von Inga Rahmsdorf

Schlösser und Computer

Schlösser und Computer

Sandra springt den Besuchern in großen Sätzen entgegen, barfuß und im lila Hexenkleid. Das Kleid ist von Halloween, aber die Elfjährige trägt es auch sonst gerne. Sie wäre gerne eine Hexe. Dann würde sie ihrer kleinen Schwester Sara die Mukoviszidose wegzaubern. Mukoviszidose gehört zu den häufigsten angeborenen Stoffwechselkrankheiten. Etwa 8000 Kinder und Jugendliche in Deutschland haben diese bisher unheilbare Krankheit, deren Symptome chronischer Husten, schwere Lungenentzündungen, Verdauungsstörungen und Untergewicht sind. Je früher die Therapie einsetzt, desto besser lässt sich der Verlauf beeinflussen. Die zehnjährige Sara ist daran als kleines Kind erkrankt und muss deswegen dreimal täglich über einen kleinen Inhalator Medizin einatmen. Auch Staub ist ein Problem. Deswegen sucht Saras Mutter eine neue Wohnung. Denn ihre Altbauwohnung ist denkmalgeschützt und das rissige Parkett ein Staubfänger. Sara selbst wünscht sich ein neues Fahrrad oder einen Computer. Ihre Schwester Sandra hätte gerne ein Barbieschloss mit einer Geheimtüre. Alle drei brauchen dringend neue Betten, die Mädchen sollen Hochbetten mit integrierten Schreibtischen bekommen.

Ein Tag auf dem Reiterhof

SZ-Adventskalender
:Leere Taschen am Ende des Lebens

Die Altersarmut auch im Landkreis Ebersberg wird größer. Sozialamt und VdK sprechen von steigenden Zahlen und wünschen sich, wenigstens in manchen Fällen helfen zu können.

Von Alexandra Leuthner

Vor drei Jahren haben Sarah, 9, und Simone, 11, schon einmal auf einem Pferd gesessen. Ein Erlebnis, das sich ihnen eingeprägt hat: Das Gefühl, frei zu sein und gleichzeitig getragen zu werden von einem großen, starken Tier, das haben die beiden Schwestern nicht vergessen. Zuhause ist ihnen dieses Gefühl der Geborgenheit bisweilen abhanden gekommen. Ihr Vater hat die Familie verlassen, als Sarah elf Monate alt war. Der Stiefvater, der einige Jahre später bei ihnen einzog, entpuppte sich als Alkoholiker. "Ich habe es viel zu spät bemerkt", sagt ihre Mutter. "Er hat die Kinder seelisch misshandelt." Sie selbst erkrankte, kurz nachdem sie zum zweiten Mal geheiratet hatte, an einer Depression. So entging ihr, welchem Druck und welchen Qualen ihre Töchter daheim ausgesetzt waren. Beide Mädchen entwickelten psychosomatische Störungen, beide sind mittlerweile ebenso wie ihre Mutter in psychologischer Behandlung. "Ich brauche Kraft für die Kinder, um ihnen Sicherheit zu geben, und die Kinder brauchen mich", sagt die Alleinerziehende. Deshalb sei es schwer, eine passende Arbeit zu finden. Das Geld reiche vorn und hinten nicht: "Wir kämpfen von einem Tag zum anderen, dass etwas zum Essen und etwas zum Anziehen da ist." Ein Traum, den sie ihren Töchtern gern erfüllen würde: "Einen ganzen Tag auf einem Reiterhof verbringen."

Ausflug mit der Familie

Einfach mal raus, mit der ganzen Familie, das ist Robertos größter Wunsch zu Weihnachten. Am liebsten würde der Fünfjährige gemeinsam mit seiner Familie ans Meer fahren oder in einen Freizeitpark. Seine alleinerziehende Mutter Loredana Barletta kann das nicht bezahlen. Denn Roberto hat noch drei Geschwister im Alter von zwölf bis 16 Jahren - und Loredana Barletta hat noch nicht einmal ein Auto. Zu fünft leben sie auf 85 Quadratmetern. "Es wäre so wichtig, als Familie Spaß zu haben, rauszukommen, weg von der ganzen Situation", sagt die 40-Jährige. Denn es war ein schweres Jahr für sie. Bei dem Fünfjährigen wurde im Herbst 2013 Krebs diagnostiziert. Acht Chemoblöcke, Blutzellentransplantationen, viele Krankenhausaufenthalte, zuletzt zwei Monate am Stück. Viel musste er durchmachen, seine Mutter war immer bei ihm.

Während dieser Zeit haben sie Unterstützung von der Kinderkrebshilfe Ebersberg bekommen. "Er hat Leben ins Krankenhaus gebracht", erinnert sich die 40-Jährige. "Er hat so viel Liebe zu geben." Zwischen den einzelnen Chemophasen hat sich die Familie immer mal wieder ein Auto für Tagesausflüge in die Münchner Umgebung gemietet. Im Juni zum Beispiel fuhren sie an den Walchensee. Zum Mittagessen gab es mitgebrachte Semmeln, zum Nachtisch durften sich die Kinder in einem Restaurant etwas Süßes kaufen. Roberto nahm Käsekuchen. "Es war wirklich toll", sagt Loredana Barletta. Doch so eine kurze Auszeit, die sich Roberto wünscht, muss sie sich immer mühsam zusammensparen.

© SZ vom 24.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: