Amtsgericht München:Die Zahl der Betreuungsverfahren steigt

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Wichtige Dokumente - und doch beschäftigen sich die wenigsten Menschen gern damit. (Foto: Roland Weihrauch/dpa)

In mehr als 16 000 Fällen entscheidet die Justiz darüber, ob bei einer Person eine Betreuung angeordnet wird. Eine Vorsorge-Vollmacht kann das verhindern.

Von Stephan Handel

Das Amtsgericht München rät den Münchner Bürgern dringend zur Erteilung einer Vorsorge-Vollmacht - mit ihr kann im Notfall meistens die Einrichtung einer gerichtlich angeordneten Betreuung vermieden werden. Das Problem wächst zusehends: In den vergangenen 15 Jahren ist die Zahl der laufenden Betreuungsverfahren von knapp 13 000 auf mehr als 16 000 gestiegen; die Zahl der neu eingehenden Verfahren erhöhte sich von 6164 im Jahr 2003 auf 7646 im vergangenen Jahr.

Diese Zahlen gab Beate Ehrt, die Präsidentin des Amtsgerichts, bei der Jahrespressekonferenz ihrer Behörde bekannt. Das Amtsgericht München ist mit 1159 Mitarbeitern und 201 Auszubildenden das größte Gericht in ganz Deutschland. Bemerkenswert ist: Auf fast allen Hierarchie-Ebenen liegt die Zahl der weiblichen Beschäftigten über der der männlichen, insgesamt liegt die Frauen-Quote bei 71 Prozent.

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Die Fälle des Betreuungsgerichts werden von inzwischen 74 Mitarbeitern bearbeitet. Den Grund für den Zuwachs der Verfahren sieht Ehrt in der demographischen Entwicklung - die Menschen werden immer älter, dadurch steigt auch die Zahl etwa der Demenz-Kranken. Dieser Trend wird sich fortsetzen: Laut einer Schätzung der Stadt werden im Jahr 2032 etwa 156 000 Menschen über 75 Jahre in München leben, 25 000 mehr als 2015.

Wie ein Betreuungsverfahren abläuft, das erläuterte die Richterin Vera Promies, die solche Fälle seit neun Jahren betreut. Sie sagte, entgegen früheren Vorstellungen von "Entmündigung" und "Vormundschaft" gehe es heute darum, die Menschenwürde des Betroffenen und seine Vorstellungen über sein Leben zu schützen und zu respektieren.

In fast drei Vierteln aller Fälle kommt die Anregung zur Einleitung eines Betreuungsverfahren von einem Krankenhaus, einem Heim oder auch einer psychiatrischen Klinik. Bei etwa 25 Prozent gehen Familienangehörige auf die Behörde zu, und nur etwas mehr als 1,5 Prozent die Betroffenen selbst. Wenn Anfragen eingehen, verschafft sich der zuständige Richter zunächst einen Überblick über die Situation und prüft, ob anstelle der Betreuung auch anderer Formen der Hilfe möglich sind. Sollte das nicht der Fall sein, ist der nächste Schritt das Sachverständigen-Gutachten, zumeist von einem Psychiater, der den Zustand des Betroffenen medizinisch einschätzt. Unabdingbar ist laut Vera Promies sodann ihr eigener Besuch bei dem Menschen, der unter Betreuung gestellt wird. "Wir entscheiden nicht nach Aktenlage, sondern machen uns selbst ein Bild, zumeist bei dem Betroffenen zuhause", sagte die Richterin.

Daraufhin folgt die Auswahl des Betreuers - bei neuen Verfahren werden in 50 Prozent der Fälle Familienangehörige bestellt, allerdings sinkt ihr Anteil bei längeren Betreuungen auf 38 Prozent - vermutlich, so die Richterin, weil die Aufgabe doch mit einem beträchtlichem Arbeitsaufwand verbunden sein kann, der dann von "Berufsbetreuern" übernommen wird. Die durchschnittliche Dauer einer Betreuung liegt nach Angaben des Amtsgerichts bei sieben Jahren - in den meisten Fällen, 53 Prozent, endet sie mit dem Tod des Betreuten.

© SZ vom 17.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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