Vorfall in McDonald's Filiale:Dieser 18-Jährige stellte sich Nazi-Gruppe in Schwabing entgegen

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Der 18 Jahre alte Samuel Liranzo mit Kultusminister Bernd Sibler und der israelischen Generalkonsulin Sandra Simovich. (Foto: Stephan Rumpf)

Samuel Liranzo geht dazwischen, als eine Gruppe Naziparolen in einem Schnellrestaurant ruft - und wird verprügelt. Nun ehrt ihn der Kultusminister für seine Courage.

Von Daniel Gözübüyük

Junge Erwachsene grölen europafeindliche Hass-Parolen, erheben den Arm nach rechts oben zum Hitlergruß und preisen lautstark den ehemaligen "Führer". Für den 18-jährigen Samuel Liranzo war es ein groteskes Unding, was da Ende März im McDonald's an der Feilitzschstraße geschah. Er erhob seine Stimme, stellte sich der Gruppe entgegen - und wurde selbst zum Opfer. Für seinen couragierten Einsatz ist er nun vom Kultusminister Bernd Sibler und der israelischen Generalkonsulin Sandra Simovich im Staatsministerium geehrt worden.

Der Anzug sitzt, die Krawatte ist locker gebunden. Die Haare sind akkurat zurück gekämmt. Samuel lächelt, schüttelt vielen Leuten die Hände. Was er nicht verbergen kann: Er ist nervös. "Dieser Rummel um me

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ine Person ist schon ungewohnt", sagt er. Minister Sibler überreicht ihm eine Tasche mit Präsenten, die Konsulin steht daneben. "Seine Tat ist wichtig, auch für die deutsche Gesellschaft. Sie ist ein Zeichen gegen Antisemitismus. Samuel hat unsere Anerkennung verdient", so Simovich.

Es war der 31. März, "ein Samstag", wie sich der 18-Jährige noch sehr gut erinnert, an dem es zum besagten Vorfall kam. "Ich werde diesen Tag nie vergessen", sagt er mit bestimmter, aber zugleich betroffener Stimme. Mit vier Freunden ist er nach einer Wohnungseinweihung auf dem Nachhauseweg, bei einem McDonald's an der Feilitzschstraße in Schwabing machen sie Halt. Sie bestellen Burger, Fritten und Getränke, setzen und unterhalten sich, lachen, lassen den Tag in die Nacht ausklingen. Es ist kurz nach 1 Uhr, in Schwabing ist noch ziemlich viel los.

Im Hintergrund hört Samuel, wie eine Gruppe - dem Akzent nach zu urteilen Schweizer - über die Verhältnisse in der Europäischen Union herzieht, immer wieder "Scheiß Europa" in den Raum ruft. "Ich drehte mich um und fragte, wieso sie denn hier sind", so Samuel. "Deutschland ist das einzig Wahre, Adolf Hitler der Beste", antwortet die Gruppe übereinstimmend im Kollektiv. Anschließend rufen sie "Heil Hitler", machen den dazugehörigen, verbotenen Gruß mit dem rechten Arm. Auch da interveniert Samuel. "Bei so etwas verstehe ich keinen Spaß, denn das ist kein Spaß."

Nach einer intensiven Diskussion lässt die Gruppe von ihrem Verhalten schließlich ab. Doch dann macht sich eine zweite Gruppe denselben Spaß, ruft die gleichen Nazi-Parolen. Auch mit diesen Leuten geht Samuel ins Gespräch. Doch die reagieren weniger verständnisvoll. "Drei gingen auf mich zu, zwei packten mich und einer schlug mir mehrmals ins Gesicht", so der 18-Jährige. Er erleidet einen Trommelfellriss, an dem er noch Wochen später leidet, außerdem einen Bluterguss an der Brust. Die Täter verlassen nach der Attacke das Schnellrestaurant und flüchten. "Meine Freunde und ich sind erst einmal raus und nach Hause. Dann rief ich die Polizei."

Als die Beamten kurze Zeit später in dem Schnellrestaurant Gäste befragen, wollen die nichts gesehen haben. Auch das Kamerasystem kann keine Beweise liefern - seit sieben Tagen ist es defekt. "Ich war sehr enttäuscht von den Leuten. Sie hätten sich für das Richtige einsetzen können. Stattdessen schwiegen sie", so Samuel. Mittlerweile ist das Verfahren, das kurzzeitig der Staatsschutz führte, eingestellt worden, die Täter sind davon gekommen.

Bereut der 18-Jährige seinen Einsatz? "Nein. Ich würde es immer wieder tun", sagt er. Einen ausgereiften Gerechtigkeitssinn besitzt er schon immer, hat sich stets für Andere eingesetzt. Nicht nur für seine zwei jüngeren Brüder. Samuel ist auch seit Jahren aktiv in der Schülermitverwaltung seiner Schule, das Gisela-Gymnasium in Schwabing, seit Beginn der Oberstufe zudem Schulsprecher. Es macht ihm nicht nur Spaß, sondern es ist ihm auch wichtig, bei den Dingen, die ihn und vor allem seine Mitschüler betreffen, mitzureden und mitzugestalten. Und sie danken es ihm mit viel Zuspruch. Nicht zuletzt nach seinem heldenhaften Einsatz. Sein Appell: "Zivil-Courage ist nicht nur wichtig, sondern leider auch zu selten praktiziert. Obwohl es dafür nicht viel braucht: Man muss einfach aufstehen und seine Stimme erheben. Mehr nicht."

© SZ vom 04.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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