Volkshochschule:Kunst am Tablet

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VHS-Programmdirektorin Susanne May und Koordinatorin Daniela Kirschstein (von rechts). (Foto: Gino Dambrowski)

Das neue Programm der VHS widmet sich einem ganz besonderen Schwerpunkt: "Connected. Leben in digitalen Welten"

Von Barbara Hordych

Auch wenn digitales Lernen mit interaktiven Webinaren und Hybridveranstaltungen "in der Zeit der Pandemie die Rettung ist, ist es auch die Zukunft?" Diese Frage stellt Susanne May, die Programmdirektorin der Münchner Volkshochschule bei einem Treffen im Gasteig. Gemeinsam mit der Koordinatorin Daniela Kirschstein spricht sie vor dem Semesterstart am 12. Oktober über einen ganz besonderen Schwerpunkt: "Connected. Leben in digitalen Welten" wird sich ein ganzes Jahr lang mit den Auswirkungen der Digitalisierung befassen. "Ich gehöre zu denjenigen, die noch das Kratzen der Kreide auf der ABC-Tafel im Ohr haben, ich denke vermutlich anders über die Digitalisierung nach als diejenigen, die mit sieben Jahren selbstverständlich ein Handy nutzen", sagt May.

Bildungswillige haben bei den rund 9000 Angeboten des neuen Semesters die Wahl zwischen einer Präsenz- und einer Online-Variante; viele Vorträge finden zudem "hybrid" statt, also mit Präsenz-Teilnehmern im Saal vor Ort, während alle anderen gleichzeitig von zu Hause oder unterwegs den Livestream verfolgen können. Dennoch sagt May: "Präsenzseminare machen den Zusammenhang von Bildung, Begegnung und Beziehung erfahrbar - das kann ein Webinar so nicht leisten."

Eröffnet wird der Schwerpunkt "Connected" mit fast 500 Veranstaltungen von Soziologieprofessor Armin Nassehi. In seinem Vortrag "Die digitale Gesellschaft nach Corona" wird er diskutieren, "warum die Digitalisierung so erfolgreich und allgegenwärtig ist. Es geht zunächst darum, die Digitalisierung zu verstehen und nicht so sehr darum, ob sie gut oder böse ist", so May. Oder, wie Nassehi selbst im Programmheft zitiert ist: "Wenn die Digitalisierung nicht perfekt zu dieser Gesellschaft passen würde, wäre sie nie entstanden oder längst wieder verschwunden."

Grundsätzlich sind die Angebote dieses Schwerpunkts in einen Praxis- und einen Diskursbereich gegliedert, erläutert May. Während es beim "Anwendungswissen" etwa darum gehe, ein neues Smartphone zu bedienen, einen Roboter zu bauen oder eine Programmiersprache zu erlernen, laden wiederum viele andere Angebote dazu ein, die Digitalisierung auch kritisch zu reflektieren und beispielsweise danach zu fragen, wie die sogenannten sozialen Medien die Aufmerksamkeit und das Verhalten manipulieren. "Wir wollen nicht allein vermitteln, wie wir die digitalen Medien reibungslos und effektiv einsetzen, wir wollen insbesondere auch ihre Botschaften verstehen und diskutieren", sagt May.

Der anwendungsorientierte Bereich "Erlebnis Digitalisierung" darf laut Kirschstein ganz praktisch verstanden werden: In zahlreichen analogen und digitalen Veranstaltungen erkunden Teilnehmer die technischen wie künstlerischen Möglichkeiten der Digitalisierung. Ob Kunst am Tablet, in der Virtuellen Realität, Kreativität am 3-D-Drucker, Programmierung oder Robotik und Machine Learning: "In diesen Veranstaltungen kann man selbst aktiv werden und beim Ausprobieren lernen". Doch so fasziniert die Schwerpunktkoordinatorin auch von den Möglichkeiten in der Reihe "Digitale Orte" ist, etwa an einer Führung durch das Metropolitan Museum of Art in New York teilzunehmen: "Das ist ein Zusatz, der wunderbar zur Vor- und Nachbereitung geeignet ist - aber kein Ersatz sein kann für einen Präsenzbesuch". Dass ein analoges Leben im Digitalen heute kaum mehr möglich ist, habe insbesondere für die "digitalen Immigranten" zu Problemen im Corona-Lockdown geführt, sagt May. An sie wendet sich die Reihe "Digital fit in die Zukunft", die den Umgang mit PC, Laptop, Tablet oder Handy vermittelt. Speziell an Jugendliche wenden sich Kurse, in denen sie zusammen mit Forschern der TU München Roboter programmieren und an möglichen Einsatzfeldern tüfteln. So entstehen Ernteroboter für Erdbeeren, digitale Ampelschaltungen sowie innovative Steuerungen für autonom fahrende Busse und Lkw.

Die Veranstaltungen, die Orientierungswissen vermitteln wollen, wenden sich etwa unter der Überschrift "Der digitale Mensch" der Frage zu, "was die digitale Revolution mit uns als Menschen macht, wie sie unsere Beziehungen und unser Familienleben verändert, die Wahrnehmung von uns selbst und anderen", sagt Kirschstein. In der Reihe "Die digitale Gesellschaft" sprechen der Journalist und Blogger Michael Seemann ("mspro") über den politischen Einfluss von Internetplattformen. Die Philosophin und Journalistin Manuela Lenzen erklärt, was Künstliche Intelligenz ist, inwiefern sie nützlich und wo ihre Anwendung heikel ist. In Anbetracht der Tatsache, "dass wir alle unseren digitalen Fußabdruck nicht mehr verstecken können", so Kirchstein, betrachten der Darknet-Experte Stefan Mey und der Philosoph Professor Thomas Schmaus die Frage, "was Freiheit in der digitalen Welt bedeutet" - und "wie der Mensch im digitalen Glashaus sein Menschsein bewahren kann". (Alle Veranstaltungen: www.mvhs.de/connected

© SZ vom 06.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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