Virtual Reality bei Bauprojekten:Mit VR-Brille durch den Neubau spazieren

Lesezeit: 2 min

Oder doch lieber eine Holzverkleidung? Mithilfe eines Joysticks lassen sich in der virtuellen Realität in geplanten Neubauten verschiedene Materialien und Oberflächen ausprobieren. (Foto: Hegias AG)

Backsteinmauer, graue Wand oder doch lieber Tapete? Mithilfe zweier Joysticks kann binnen weniger Sekunden ein Haus eingerichtet werden. Für alle Projekte ist die Technik aber noch nicht geeignet.

Von Lena Hollet

Die schwarze Virtual-Reality-Brille sitzt eng um den Kopf geschnürt. Die dicken Stützpolster sollen drohenden Druckstellen möglichst vorbeugen. Mit einem Klick ist der Brillenträger, in einer neuen Realität, der Virtual Reality (VR) - einer zweistöckigen Wohnung am Vierwaldstättersee in der Schweiz. Der Ausblick von der Terrasse ist atemberaubend. Hohe Berge, grüne Wälder und das glitzernde Wasser des Sees. Kaum eine Kopfdrehung entfernt befindet sich das Wohnzimmer, dessen Grafik an ein typisches Computerspiel erinnert.

Holzboden, Backsteinmauer, sonst graue Wände - oder passt eine Tapete vielleicht doch besser? Mithilfe zweier Joysticks kann binnen weniger Sekunden alles ausgetauscht werden, bis hin zur kompletten Einrichtung. Die Treppe hoch, die Treppe herunter - alles kein Problem. Lediglich bei zu schnellen Kopfbewegungen zittert der Bildrand ein wenig, was wieder daran erinnert, dass es sich hier nicht um die echte Welt handelt.

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Im Rahmen der Bau 2023 hat das taiwanesische Unternehmen HTC Vive die Möglichkeiten seiner neuen VR-Brille in den Bereichen Architektur, Konzeption und Bau vorgestellt. "Mit VR stehen wir gerade an dem Punkt, an dem wir 2007 mit Handys standen", sagt Fabian Nappenbach, Produkt-Marketing-Leiter bei HTC Vive. Kurz: Manche nutzten es bereits, andere hielten es für entbehrlich. "Hier wird aber noch einiges auf uns zukommen", zeigt er sich sicher.

Wie aber kann Virtual Reality bei Bauprojekten weiterhelfen? "Kunden brauchen dadurch nicht mehr viel Fantasie, um Pläne zu verstehen", sagt Nappenbach. Sie könnten einfach durch die Simulation laufen und sich selbst ein Bild machen. Bislang sei die Technik vor allem bei Küchenherstellern gefragt, und - abseits des Baubereichs - auch bei Automobilherstellern. Ist die Arbeitsplatte auf der richtigen Höhe? Passen die Nähte der Autositze zum restlichen Interieur? "Durch den digitalen Zwilling können Änderungen live umgesetzt werden." Ein weiterer Vorteil der VR-Simulation sei die Ortsunabhängigkeit. Durch einen Link könnten Bauherren auf der ganzen Welt darauf zugreifen. Das sei vor allem bei Großprojekten, in die besonders viele Personen eingebunden sind, ein zentrales Element für den Erfolg.

Wie im Kino ist es nicht

So weit die Theorie. In der Praxis des Architektenalltags ruckelt es allerdings noch ein bisschen. "Die wenigsten Planungen sind so weit", betont Julia Behm vom Münchner Architektenbüro Behm.Maasberg. Damit ein Raum fotorealistisch wirke und Bauherren verschiedene Farben, Materialien und Oberflächen ausprobieren könnten, müssten viele Details eingebaut werden. "Da sitzt man einige Stunden dran", räumt die 42-Jährige freimütig ein.

In ihrem Architektenbüro werde zwar jeder Plan dreidimensional ausgearbeitet, die VR-Brille komme trotzdem nur selten, "eher als Spielzeug nebenbei" zum Einsatz. Bei einem von zehn Projekten wolle der Kunde den Plan durch die VR-Brille begutachten, schätzt Behm. "Das ist aber eher etwas für professionelle Bauherren, weniger für private", hält sie fest. Viele Kunden, die das erste Mal bauen, hätten eine falsche Erwartung an die dreidimensionalen Konstruktionen. "Sie glauben, dass sie die Brille aufsetzen, und dass das Dargestellte wie im Kino, bei einem 3-D-Film, aussieht. Das kann sie jedoch nicht leisten." Von einer Eins-zu-Eins-Darstellung sei man noch weit entfernt.

Trotzdem findet Behm den Einsatz der Technik grundsätzlich sinnvoll. "Es fördert die Kommunikation", sagt sie. "So können Bauherren bereits vor der Realisierung ihre Vorstellungen abgleichen und mögliche Änderungen von den Planern umgesetzt werden." Das sei für die Architekten zwar mit größerem Aufwand verbunden, dafür gebe es bei der Fertigstellung keine Überraschungen mehr. Vor allem bei der Bemusterung von großen Bürogebäuden sei der Einsatz sinnvoll; bei Eigentumswohnungen hingegen eher selten. "Da kann ich mir auch kaum vorstellen, dass jemand für den Extraaufwand bezahlen würde." Immerhin müssten Bauherren bei einem Einfamilienhaus, welches bereits in 3-D geplant wurde, mit Mehrkosten von rund 1000 Euro rechnen.

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