Viertel-Stunde:Tivoli ist den Bach runtergegangen

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Kennt sich gut aus in Schwabing und weiß viele Geschichten: Stadtteilhistoriker Willibald Karl. (Foto: privat)

Die Gaststätte "Zum Tivoli" war in der Biedermeierzeit in München eine "In"-Location: Heute ist der alte Eingang von einem Brombeerstrauch zugewuchert

Kolumne von Anna-Leandra Fischer

Heute gibt es noch vieles, das an das Tivoli, die einstige Vergnügungsstätte östlich des Englischen Gartens, erinnert: die Tivolistraße, eine Bushaltestelle mit demselben Namen, einen kleinen Kiosk im Nordteil des Englischen Gartens, ein Restaurant und einen Tennisclub. Auch das backsteinfarbene Tivolikraftwerk steht fast unverändert am Eisbach. Die Bezeichnung ist auf die italienische Stadt Tivoli zurückzuführen. Ihr Name wurde im 19. Jahrhundert zum Synonym für viele Vergnügungsparks.

Die Naherholungsgaststätte "Zum Tivoli" habe in der Biedermeierzeit nicht nur Studenten, sondern auch die Damenwelt angezogen, sagt Stadtteilhistoriker Willibald Karl, "das war einfach ,in' für Münchner". Hier war immer etwas los. Im Sommer wie im Winter. Das Tivoli habe für ein gesellschaftliches Flair gestanden, weiß der 74-Jährige, der früher Stadtteilbereichsleiter der Volkshochschule für den Münchner Osten war und am Freitag, 3. Mai, 16 Uhr, eine Tivoli-Führung anbietet. Von der einstigen "Wellnessoase Tivoli" ist, fast 100 Jahre später, nichts mehr übrig. Eine Mauer versperrt den Blick auf das Grundstück, auf dem nur noch alte Bäume und wilde Gräser zu sehen sind. Ein Brombeerstrauch hat das Holztor zugewuchert. Der alte Eingang ist auch Treffpunkt für die Führung. Nach dem Ersten Weltkrieg musste das Tivoli wegen der Inflation von 1923 schließen.

Geht man den Eisbach flussabwärts entlang, kommt man am Hilton-Hotel vorbei. Dort, wo heute der große Hotelkomplex steht, befand sich einst die Tivoli-Kunstmühle. Damals lieferte das Wasser des Eisbachs die Energie zum Mahlen des Getreides. Bei einem Spaziergang durch den Englischen Garten in Richtung Norden kommt man schließlich zur letzten Station der Führung: dem Tivolikraftwerk der ehemaligen Maffei-Lokomotiv-Fabrik. Heute gehört das Werk der Bank Uni-Credit. Es erzeugt immer noch Strom mit einer mehr als 100 Jahre alten Turbine. Meist werde das Gebäude aber für Events und Parties genutzt, sagt Karl. Beim Kraftwerk mündet der Eisbach in die Isar. "Man könnte auch sagen, der Name Tivoli ist den Bach runtergegangen", erklärt Karl. Und lacht.

© SZ vom 06.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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