Verwaltungsgericht:Schlappe für die Polizei im Kuhjagd-Prozess

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Hinter dem Schützen-Festzelt erlegten Polizisten das Rind - einige Menschen zeigten sich betroffen. (Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Im September 2014 reißt auf dem Schlachthof eine Kuh aus. Nach einer Verfolgungsjagd bringt die Polizei das Tier an der Bavaria zur Strecke.
  • Nun soll der Viehhändler für die Kosten des Einsatzes aufkommen.
  • Doch vor Gericht erleidet die Polizei eine Niederlage.

Von Ekkehard Müller-Jentsch, München

Eine Kuh nimmt vor einem Jahr auf dem Münchner Schlachthof Reißaus, verletzt auf der Flucht eine Passantin schwer und wird schließlich unterhalb der Bavaria von der Polizei erschossen. Das Präsidium nimmt als Schuldigen den westfälischen Viehhändler ins Visier, der die Rinder angeliefert hatte - verklagt ihn auf Zahlung der Einsatzkosten. Doch vor dem Verwaltungsgericht München endete die Verhandlung am späten Mittwochnachmittag wie das sprichwörtliche Hornberger Schießen. Die Polizei musste sang- und klanglos ihre Forderung zurückziehen.

Was die Polizei dem Lkw-Fahrer vorwirft

Am 2. September 2014, um 6.50 Uhr, hatte der 49-jährige Westfale mit seinem doppelstöckigen Lastzug 28 Kühe im Schlachthof an der Zenettistraße angeliefert. Als er die Tiere in mehreren Gruppen von der Ladefläche führte, soll er vergessen haben, so unterstellte es ihm jedenfalls bislang die Polizei, ein Vorgatter zu schließen. Während der Mann zur Erläuterung der Frachtpapiere in einem Büro war, sei die Kuh auf diesem Wege entkommen.

Theresienwiese
:Polizei erschießt Kuh

Sie beschädigte ein Polizeiauto, verletzte eine Joggerin und verirrte sich auf das Gelände einer Moschee. Eine Kuh ist aus dem Schlachthof geflohen und bis auf die Theresienwiese gerannt. Um das Tier zu stoppen, reichte ein einzelner Schuss nicht.

Von Florian Fuchs

Wie aber das Rindvieh tatsächlich in Freiheit gelangen konnte, dürfte ein Geheimnis bleiben. Denn ein Treiber vom Schlachthof und ein Viehhändler aus dem Landkreis Freising, die beide von der Polizei als Zeugen benannt worden waren, konnten in Wirklichkeit gar nichts zur Aufklärung des Kuh-Ausbruchs beitragen.

Der Treiber schilderte in der Verhandlung einen ziemlich geordneten Ablauf des Ausladens. Die Vorsitzende der 7. Kammer hielt ihm daraufhin eine Aussage vor, die er schon kurz nach dem Vorfall einem Polizeibeamten gegenüber gemacht haben soll. Kernaussage war damals, dass der Westfale seinen Laster zu schlampig und zu schräg an die Rampe gefahren habe. Der Treiber, ein Metzger, war erstaunt. Daran könne er sich nicht erinnern - "ich glaube, dass es so war, wie ich es heute hier gesagt habe", versicherte der 54-Jährige.

"Dann bin ich ihr nachgerast"

Zweiter Zeuge war der 64-jährige Viehhändler aus der Nähe von Freising: Er sei aus dem Verwaltungsbüro gekommen und habe die Kuh über den Hof laufen sehen - "dann bin ich ihr nachgerast". "Sie wollte nicht geschlachtet werden", bemerkte die Vorsitzende. Dann griff sie zu einem weiteren Polizeiprotokoll. Demzufolge soll der Zeuge damals ebenfalls vor einem Polizisten ausgesagt haben, dass der Westfale seinen Lkw "schlecht abgestellt" habe. Erstaunen bei dem Bayern: "Das soll ich gesagt haben? Das stimmt nicht! Ich habe überhaupt keine Vernehmung gehabt."

Für das Gericht war die Klage damit geplatzt: "Schwierig, wenn die Zeugen hier ganz andere Aussagen treffen." Die etwas unbeholfenen Erklärungsversuche des Vertreters des Polizeipräsidiums ließ das Gericht nicht gelten. "Womöglich" reiche hier nicht, sagte die Vorsitzende. Und: "Bitte keine Mutmaßungen." Unter diesen Umständen wäre es doch fair, meinte sie, den Zahlungsbescheid über 528 Euro aufzuheben. Dem folgte der Beamte.

Doch damit ist es für den Westfalen noch nicht vorbei: Eine Anklage wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen ihn steht noch aus, wegen der von der Kuh verletzten Passantin. Bisher konnte nicht verhandelt werden, weil der Mann bei einem Autounfall selbst sehr schwere Verletzungen erlitten hatte.

© SZ vom 03.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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