Uschi Glas und 1968:Ein Schätzchen erinnert sich

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Sie sagte nicht viel und strippte ein wenig - und doch wurde Uschi Glas vor 40 Jahren zum Star. Die Münchner Schauspielerin erinnert sich an den Erfolgsfilm "Zur Sache Schätzchen" aus dem linken Schwabing. Danach driftete der neue Star zur CSU.

Anna Fischhaber

Da sind die beiden Frauen: Die eine, jung und wild, legt gerade einen Striptease hin - die andere, ganz Geschäftsfrau, setzt ein künstliches Lächeln auf. Doch es ist ein und dieselbe Person - Uschi Glas. Auf dem Plakat damals und in echt heute. Die Schauspielerin, heute als Sauberfrau des Deutschen Films verschriien, ist ins Münchner Filmmuseum gekommen, um bei der Vorführung von "Zur Sache Schätzchen" in alten Erinnerungen zu schwelgen.

Zwei unterschiedliche Bilder, eine Frau: Uschi Glas erinnert sich an "Zur Sache Schätzchen". (Foto: Foto: Anna Fischhaber)

Vierzig Jahre ist es her, dass der berühmte Geist Schwabings durch München wehte. Heute ist im einstigen Zentrum der Boheme kaum noch etwas davon zu spüren. Dabei sorgten in dem Viertel Krawalle, Alternativkultur und das neue deutsche Kino für einigen Aufruhr. Kein anderer Film spiegelt das Lebensgefühl Schwabings in den wilden sechziger Jahren besser wieder als May Spills "Zur Sache Schätzchen". Gerade weil dieser Film über das große Wurschtsein nicht politisch sein wollte, war er es.

"Wer ist denn das jetzt?"

Hauptdarstellerin Glas gelingt der Kunstgriff an diesem Abend nicht. Auf die Frage, ob sie sich heute noch mit der Rolle identifizieren könne, antwortet sie ausweichend. "Ich spiele ein sehr junges Mädchen." Den Film habe sie schon lange nicht mehr gesehen, sie wüsste nicht einmal mehr wie er ausgeht. Selbst ihre alten Fans scheinen sie nicht mehr zu erkennen - dabei bekam Uschi Glas als Schwabinger Schätzchen einst bis zu 150 Liebesbriefe am Tag. Als sie nun, ganz in lila und umringt von Fotografen, das Kino betritt, fragt ein älterer Herr ärgerlich: "Wer ist denn das jetzt?"

Mit der aufmüpfigen Uschi von damals hat die heute 64-Jährige eben nur noch wenig gemein: Bald nach "Zur Sache Schätzchen" näherte sie sich Franz Josef Strauss und der CSU an. Bei ihrem Auftritt im Filmmuseum meidet Glas politische Themen, von den wilden 68ern kein Wort. "Vielleicht hat sie auch Angst, nach der rebellischen Jungend ihrer eignen Kinder gefragt zu werden", mutmaßt ein Zuschauer, während Glas doch noch ein bisschen etwas von damals preisgibt.

Die Frau, die später mit Rollen im Privatfernsehen bekannt blieb, erzählt von den lustigen Dreharbeiten mit Filmpartner Werner Enke: "Werner war schon ein bisschen chaotisch, da stießen zwei Welten aufeinander. Und er war höchst kompliziert. Oft mal musste man warten und ihn suchen - auch May wusste nicht, wo er ist. Mittags kam Werner dann endlich und sagte: 'Ich kann heute nicht drehen, ich sehe so hässlich aus.'"

An den Erfolg des Films wollte zunächst niemand glauben: "Damals wurde in München nahezu an jeder Ecke gefilmt", erzählt Uschi Glas. "Unser Projekt galt als Nullnummer, weil wir kein Geld hatten. Alle sagten: 'Das ist altmodisch, kein Mensch will mehr einen Schwarz-weiß-Film sehen.'"

Mit nur zehn Kopien kam das Werk schließlich in die Kinos. "Damals war es üblich, dass ein Film ausgebuht wurde, wenn er nicht gefällt und wir alle hatten wahnsinnige Angst davor", erinnert sich Filmstar Glas. "Und dann kam der Film am Lenbachplatz raus und die Leute fingen an zu lachen." Während den Kritikern angesichts des einzigen lustigen Autorenfilms der 68er, diesem "Luftballon aus Schwabing", die Worte fehlten, kam das Publikum in Scharen. Sechs Millionen sahen den Film.

Für Protagonist Enke und seine rasanten Wortspiele wurde beim Bundesfilmpreis sogar extra die Kategorie "Beste Dialoge" eingeführt - danach wurde dieser Preis nie wieder vergeben. Doch nicht Enke, sondern Uschi Glas, damals am wenigstens Teil der Szene, wurde über Nacht zum Star. Obwohl sich ihre Rolle auf ein paar hingehauchte "Ich weiß nicht" in ziemlich knappen Kleidchen beschränkte, begann für sie als Schwabinger Schätzchen die große Karriere. Vor allem ihr - unvollendeter - Strip auf dem Polizeipräsidium schien Kritiker und Zuschauer beeindruckt zu haben.

"Soufragette des Neuen Deutschen Kinos"

Dabei war es während der Dreharbeiten in Schwabing und Hellabrunn nicht Uschi Glas, sondern die erst 26-jährige Regisseurin May Spills, die als "Soufragette des Neuen Deutschen Kinos" in Bikini und Revolver für Schlagzeilen in München sorgte. Erstmals seit Leni Riefenstahl stand wieder eine Frau hinter der Kamera - und noch dazu eine so junge und unbekannte.

"May Spills war eine ganz zarte, kleine Person", erinnert sich Glas. "Ich war beim Casting - oder Vorsprechen, wie das damals hieß - bei Peter Schamoni im Büro und da war dieses entzückende, junge Mädchen. Und ich dachte: 'Wer ist denn das?' Ich hatte bis dahin nie mit einer Frau gearbeitet. Dann hat May plötzlich gesagt: 'Das kann ich mir sehr gut vorstellen, ich glaube, die Uschi ist es.'"

Über die Konkurrenz der beiden so unterschiedlichen Frauen verliert Uschi Glas an diesem Abend kein Wort - dabei soll Spills ursprünglich gegen Glas gewesen sein. Doch Produzent Schamoni wollte unbedingt die Indianer-Maid Apanatschi für die Rolle. 40 Jahre später kann das niemand mehr so genau sagen. Spills und Enke haben wohlweislich den gemeinsamen Auftritt im Filmmuseum abgesagt. Und Uschi Glas nutzt die Chance, von der Freundschaft der drei zu schwärmen. Sogar eine Fortsetzung von "Zur Sache Schätzchen" kann sie sich vorstellen: "Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass wir irgendwann als altes Paar noch einmal zusammen drehen - das wäre doch schön! Dann muss ich den Werner allerdings festbinden!"

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