Urteil des Verwaltungsgerichtshof:"Satirische Kritik"

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Ein geschminkter Benedikt XVI., der Kondome über den Fingern trägt: Das Papamobil bei der Parade am Christopher Street Day war gesetzeskonform - so ein Urteil des Verwaltungsgerichtshof.

B. Kastner

Dürfen die das? Dürfen die Männer von der Deutschen Eiche, Münchens bekanntestem Schwulen-Hotel, und der Zeitschrift Sergej am Christopher Street Day mit einem "Papamobil" teilnehmen? Darauf auch noch eine Papst-Puppe setzen und den Wagen mit postergroßen Fotomontagen dekorieren, die einen geschminkten Benedikt XVI. zeigen, der auch noch Kondome über den Fingern trägt? Ja, das dürfen sie, urteilte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) am Montag und brachte damit einen dreieinhalbjährigen Rechtsstreit zu einem Ende.

Das Urteil stützt sich auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit und ist zugleich eine Niederlage für die Polizei: Beamte hatten im August 2006 die Wagen-Crew angewiesen, Puppe und Foto-Plakate zu entfernen, weil diese den Heiligen Vater beleidigten. Das Vorgehen der Polizei sei rechtswidrig gewesen, so die Richter, die damit ein gegenteiliges Urteil des Verwaltungsgerichtshofs aufhoben. Revision ließen sie nicht zu.

Es war wenige Wochen vor dem Besuch des ehemaligen Münchner Erzbischofs Joseph Ratzinger im Herbst 2006 an seiner alten Wirkungsstätte. Dietmar Holzapfel, Chef der Deutschen Eiche, wollte die Euphorie nach der Wahl des Deutschen auf den Stuhl Petri hinterfragen. "Sind auch wir Papst?", formulierte Holzapfel vor Gericht die Zweifel - wir, die Schwulen und Lesben.

Er habe, erklärte Holzapfel, die schwulenfeindlichen Äußerungen der katholischen Kirche thematisieren wollen. Also hingen am CSD-Wagen auch Sätze wie: "Homosexuelle Beziehungen sind zutiefst unmoralisch" oder "Homosexualität ist eine schwere Sünde." Worte, die sich der Ex-Chef der Glaubenskongregation im Vatikan zuschreiben lassen müsse.

Einem Münchner Pfarrer aber, der die CSD-Teilnehmer beim Dekorieren ihres Wagens vor Start der Parade sah, gefiel diese Art der Auseinandersetzung mit katholischen Grundsätzen gar nicht. Er alarmierte die Polizei, und diese sah Ratzinger ebenfalls diffamiert. Weil der inzwischen ein ausländisches Staatsoberhaupt ist, sei dies eine Beleidigung eines solchen. Und die ist strafbar.

Bitte abbauen!, forderten also die Beamten die Papamobil-Besatzung auf. Holzapfel verstand die Welt nicht mehr, denn gegen ihn wurde obendrein ein Strafverfahren eingeleitet. Während dieses ohne Aufhebens schnell eingestellt wurde, dauerte die weitere gerichtliche Aufarbeitung Jahre. Der Hotelier klagte vor dem Verwaltungsgericht, um die Polizeiaktion für rechtswidrig erklären zu lassen. Doch in erster Instanz gab die Justiz der Polizei Recht, die Richter ließen nicht einmal Berufung zu.

Das Recht auf die zweite Instanz musste sich Holzapfel zusammen mit seinem Hotel-Partner Josef Sattler erst erstreiten, auch vor dem VGH. So kam es, dass der 10. Senat über die Polizei zu Gericht saß - und über den Papst, wenn man so will. Denn die Fotos des geschminkten Pontifex, gekleidet in weißer Sutane, lagen vor ihnen auf dem Boden, jene Poster, die damals abgehängt werden mussten.

Der Vorsitzende Andreas Dohm, ein graumelierter, sorgfältig wägender Herr, ließ schnell durchblicken, dass er an dieser Art der Papstdarstellung nichts Gesetzwidriges erkennen könne. Das Ganze sei satirische Kritik, die sich im Kern mit der katholischen Lehre zur Homosexualität und zum generellen Kondomverbot auseinandersetze. Das sei ebenso vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt wie ihre "satirische Einkleidung", also die päpstliche Maskerade. Noch längst keine verbotene Schmähkritik sei das, und der Papst würde wahrlich nicht als Homosexueller diffamiert.

"Es ist schon schwierig für die Polizei", Entscheidungen in Eile zu treffen, räumte Dohm ein. "Aber die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut." Egal, ob eine Meinung falsch oder richtig, gut oder schlecht sei. Da jubelten Holzapfel und seine Unterstützer auf den Besucherstühlen, die Landesanwältin und die Juristin des Polizeipräsidiums fügten sich in ihre Niederlage. Der bunte Papst lag derweil noch immer auf dem Boden. "Sie nehmen Ihre Plakate wieder mit?", fragte der Vorsitzende zum Abschied, sicherheitshalber. Als Wandschmuck im Gericht scheinen sie dann doch nicht zu taugen.

© SZ vom 09.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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