Untergiesing:Licht aus

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Der 50 Meter hohe Osram-Kubus aus Glas und Aluminium muss den neuen Bauten auf dem Gelände weichen. Bis zum Abriss, der 2018 erfolgen soll, dient das Gebäude noch als Unterkunft für fast 800 Flüchtlinge

Von Julian Raff, Untergiesing

Altgediente Osram-Leute und die Liebhaber klassisch-moderner Büroarchitektur hatten sich wohl schon darauf eingestellt: Das markante Bürogebäude am Mittleren Ring zwischen Brudermühlbrücke und Candidplatz wird abgerissen und nicht ins Neubaugebiet integriert, das hier von Mitte 2018 an entstehen soll. Nachdem sich das Berliner Büro Ortner & Ortner Baukunst Anfang Oktober im Planungswettbewerb gegen ein Dutzend Konkurrenten durchgesetzt hatte, legte sich die Jury am Mittwoch endgültig auf die Variante ohne den Bestandsbau fest.

Das Architektenteam verteilt die 370 Wohnungen auf insgesamt 17 polygonale Baukörper, die sich in fünf Ensembles gruppieren. Die Gebäudehöhe liegt mit fünf bis sechs Geschossen im jetzigen Rahmen. Die lockere Anordnung der Gebäude soll dabei die "Schollen"-Struktur des angrenzenden Isarparks aufgreifen, Dachgärten den Bewohnern einen grünen Mehrwert verschaffen. Den Schallschutz werden verglaste Zwischenfronten sichern, wie sie den Mittleren Ring auch an anderer Stelle säumen.

Ein Bild, das bald Geschichte sein wird: Die Osram-Bauten am Mittleren Ring werden nach der Nutzung als Flüchtlingsunterkunft abgerissen. (Foto: Claus Schunk)

Mit der nun verworfenen Erhaltungs-Variante hätten die Planer auf das nordwestlich gelegene Ensemble verzichtet und stattdessen den Kubus aus Glas und Aluminium mit seinen 50 Metern Kantenlänge erhalten, zumindest soweit man ihn vom Ring aus sieht. Das Problem der 2500 Quadratmeter großen Innenflächen pro Stock, die kein Tageslicht haben, hätte durch ein nach Süden offenes Atrium gelöst werden sollen. In der Draufsicht wäre ein großes "U" entstanden. Die Lösung hatte das vierzehnköpfige Preisgericht ästhetisch überzeugt, erwies sich jedoch nach umfassender Machbarkeitsprüfung als zu kompliziert in Sachen Statik und Energie.

Indem die Experten auch die wirtschaftlichen Vorzüge des verbliebenen Entwurfs hervorhoben, machten sie klar, dass sich die Probleme rein technisch wohl hätten lösen lassen, allerdings zu einem hohen Preis. Ein Zugeständnis an die Finanzkraft der Investoren und letztlich an die ihrer späteren Kunden hatte bereits vor zweieinhalb Jahren das Landesamt für Denkmalpflege gemacht: Die Behörde würdigte im Juni 2013, zur möglichen Wohn-Umwidmung befragt, durchaus die "geschichtliche, künstlerische, städtebauliche und technische Bedeutung" des Baus. Seine auch im Vergleich mit anderen Bauten der Sechzigerjahre "herausgehobene" Stellung" verdanke er aber vor allem der Aluminium-Glas-Vorhang-Fassade, die "in ihrer Originalität nicht erhalten werden" könne angesichts des "berechtigten Interesses der Eigentümerin" - damals noch Osram. Eine Chance, "die Denkmaleigenschaft in die Zukunft zu transportieren", sah und sieht das Landesamt nur in weiterer Büronutzung oder anderen, "der Typologie gerechten" Konzepten.

Blick in die Zukunft: 370 geplanten Wohnungen sollen auf insgesamt 17 polygonale Baukörper, die sich in fünf Ensembles gruppieren, verteilt werden. (Foto: Ortner & Ortner Baukunst)

Stadt-Heimatpfleger Gert Goergens hatte vergeblich gegen das absehbare Ende gekämpft. Er bescheinigt dem Bau "einen geradezu ikonografischen Wert" und zählt ihn zu den "besten Beispielen der Nachkriegsarchitektur". Unter den vier oben genannten Denkmal-Werten stehe ja nur einer, nämlich der künstlerische, zur Disposition, argumentierte Goergens bereits vor zwei Jahren. Letztlich beschloss das Planungsreferat auf seinen Einspruch hin, den Wettbewerbsteilnehmern je eine Planoption mit Bestandsgebäude vorzugeben. Die Bauherren Rainer Sticken (ABG) und Ralf Büschl (Büschl-Gruppe) äußerten sich aber bereits am Rande einer Bürgerwerkstatt im Mai diplomatisch-skeptisch zum Erhalt des Gebäudes.

Die verbale Abrissbirne schwang unterdessen der Bezirksausschuss-Vorsitzende Clemens Baumgärtner (CSU). Ehe sich seine Forderung "Weg mit dem Ding!" erfüllt, bleibt den Untergiesingern aber noch viel Zeit zum Abschiednehmen: Die Investoren haben das Gebäude bis 2018 ans Sozialreferat vermietet. Anfang Dezember zogen die ersten von 470 Flüchtlingen ein, weitere 300 Menschen werden von Januar an in den südlich angrenzenden, nicht denkmalgeschützten Bürobauten wohnen. Unabhängig vom dramatischen weltpolitischen Hintergrund können sich Freunde des Osram-Baus nun zumindest wieder an dessen charakteristischer nächtlicher Beleuchtung erfreuen, trotz der offiziellen Nachtruhe von 22 Uhr an. Nicht jeder sehnt sich nach den alten hellen Zeiten zurück: Beim BA gingen bereits erste Beschwerden wegen nächtlicher Lichtbelästigung ein.

© SZ vom 17.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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