Untergiesing:Kunstvoller Sichtschutz

Lesezeit: 2 min

Eine begrünte 3-D-Collage soll das "Halt 58" am Kolumbusplatz abschirmen. Aber das Projekt ist den Lokalpolitikern zu teuer

Von Julian Raff, Untergiesing

Eine künstlerisch gestaltete Schutzwand soll das Freiluft-Kunstforum "Halt 58" am Kolumbusplatz schmücken und gleichzeitig vom lauten Giesinger Berg abschirmen - stattdessen erhöht sie schon als Papierentwurf den Schallpegel im Bezirksausschuss Untergiesing-Harlaching (BA). Nach wie vor verweigert eine grün-rote Mehrheit im BA dem Projekt der Initiative "Mehr Platz zum Leben" einen fünfstelligen Zuschuss. Antragstellerin Melanie Kieweg machte ihrem Ärger von der Zuschauerbank aus derart lautstark Luft, dass BA-Chef Sebastian Weisenburger (Grüne) mit Saalverweis drohte.

Im November hatte Kieweg, seit fast 25 Jahren selbst im BA und gleichzeitig treibende Kraft der Initiative, ihr Projekt vorgestellt, verbunden mit einem Zuschussantrag über knapp 29 000 Euro. Der Untergiesinger Metallkünstler Hans Martin Kieser hatte eine 25 Meter lange, 1,8 Meter hohe, teilbegrünte 3-D-Collage aus Autoteilen konzipiert, Arbeitstitel "StauSchallWand". Obwohl sich Kiewegs Fraktion "Bündnis fürs Viertel" und die CSU für den Antrag stark gemacht hatten, blieben für Grüne und SPD zu viele Fragen zur Kalkulation des stattlichen Betrags offen, weshalb der BA den Antrag in die Januarsitzung verschob. In der Zwischenzeit legte Kieweg Details zu den Kosten nach - und ihre Kollegen weitere Fragen zu etwaigen Folgekosten oder zu möglichen Konflikten mit anderen Kulturprojekten. Nach einem Ortstermin halbierte der Unterausschuss Budget den Betrag schließlich auf 15 000 Euro, auszahlbar, falls der BA-Kulturausschuss und die Nachbarn in der Au (BA 5) und in Obergiesing (BA 17) einbezogen werden. Die Sache landete damit auf der Februar-Agenda. Wie Kieweg von Anfang an mit Verve unterstrichen hatte, bringt dies das Projekt in Zeitnot, da ein Zwischennutzungs-Grundstück an der Hebenstreitstraße nur bis Jahresende zur Verfügung stehe, um dort ein Werkstatt-Zelt aufzustellen. Erneut stellte sich nicht nur das "Bündnis fürs Viertel", dem Kieweg angehört, hinter den Antrag, sondern auch die CSU. "Jedes Eckchen ist ausgeleuchtet", befand Clemens Baumgärtner, die abermalige Verschiebung sei daher reine Schikane. Wer das Kunstwerk schlicht nicht wolle, könne es auch direkt sagen, forderte Baumgärtners CSU-Kollege Andreas Babor. Angesprochen fühlte sich offenbar Heike Kraemer (SPD), die für derart raumgreifende Kunst im öffentlichen Raum eine Ausschreibung mit Wettbewerb fordert, statt privater Einzelinitiativen. Zudem stößt sich Kraemer an der "Selbstverständlichkeit, mit der Forderungen gestellt werden", und an Kiewegs Tonfall. Die persönliche Note und Nebendiskussionen, etwa darüber, ob der Beitrag des BA in vergangenen Aktionen der Bürgerinitiative ausreichend gewürdigt worden sei, verweisen auf den Kommunalwahlkampf zurück: Als parteiloses Mitglied der Grünen-Fraktion und BA-Vize hatte Kieweg in den Vorjahren gut mit dem früheren BA-Chef Baumgärtner zusammengearbeitet. Nicht nur, aber auch in Belangen "ihrer" Bürgerinitiative - und aus grün-roter Perspektive vielleicht etwas zu gut. Der Bruch im Herbst 2019 hinterließ jedenfalls beiderseitige Befindlichkeiten.

Für die Initiative "Mehr Platz zum Leben" soll es rund um den "Halt 58" noch schöner werden. (Foto: Florian Peljak)

Entscheidungen über derart stattliche Zuschüsse hatte sich der BA, wie Grüne und SPD argumentierten, auch früher nicht leicht gemacht. Die finanzielle Tragweite bleibt dabei schwer abzuschätzen: Einerseits drohen den BA-Budgets Kürzungen, andererseits ist der 2020er Topf des BA noch bis zu 130 000 Euro an nicht abgerufenen Mitteln gefüllt, was das Direktorium aber noch nicht bestätigt hat.

Die Nachbargremien haben unterdessen Stellung genommen. Während aus der Au (BA 5) keine Einwände kamen, zweifeln die Obergiesinger die Notwendigkeit eines Schallschutzes an. Für den Künstler und die Initiative von Anfang an ein Missverständnis, hatte sich die Bezeichnung doch eher auf die Tristesse herkömmlicher Schutzwände bezogen als auf echten Schallschutz. Mehr Klarheit soll nun der Projektname "urbaner biodiverser Recycling-Sichtschutz" bringen.

© SZ vom 06.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: