Ungewöhnliche Raubüberfälle:Gefangene der Sucht

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Eine Serie von sechs eher ungewöhnlichen Raubüberfällen wird nun am Landgericht München I aufgearbeitet: Ein überschuldeter Spieler überfällt Bäckereien, ein Drogenkranker droht seinen Opfern mit einer vermeintlich mit HIV kontaminierten Spritze.

Christian Rost

Vor den großen Strafkammern müssen sich ein erst 22-Jähriger, der mehrere Hofpfisterei-Filialen ausgeraubt hat, sowie ein 41-Jähriger verantworten, der in einem Schlecker-Markt mit einer vermeintlich mit HIV kontaminierten Spritze gedroht hat.

Beide Männer gestanden ihre Taten, beide trieb das Motiv Sucht. Der junge Räuber ist Spielautomaten verfallen, der ältere kommt trotz etlicher Therapien nicht vom Rauschgift los. Xhevdet B. ging vor vier Jahren mit einem Kumpel zum ersten Mal in einen Spielsalon und versuchte sich an den Automaten. Tatsächlich gewann er etwas, "und er dachte wohl, das geht so weiter", wie ein Polizeibeamter als Zeuge im Verfahren vor der dritten Strafkammer aussagte.

Jedenfalls spielte B. seither regelmäßig und häufte Schulden von fast 20.000 Euro an. An seinem Arbeitsplatz in einer Elektronikfirma blieb das nicht unbemerkt. Sein Chef streckte dem in Schwierigkeiten steckenden jungen Mann sogar 11.000 Euro vor - und dennoch fand B. nicht aus dem Teufelskreis von Spiel und Schulden heraus.

Im April dieses Jahres überfiel er mit einer Gaspistole bewaffnet zwei Filialen der Hofpfisterei - einen Shop ging er zweimal an. Eine 59-jährige Brotverkäuferin schilderte den Räuber als "ruhig wie ein Profi". Mit vorgehaltener Waffe hatte er von ihr "Scheine" gefordert.

Als die Frau in der Hoffnung, ein Kunde würde den Laden betreten und ihr beistehen, auf Zeit spielte, wurde der 22-Jährige grob. Er packte die Frau an ihrer frisch operierten rechten Schulter und brach ihr dabei das Schlüsselbein. In der anderen Filiale, wo es zweimal dieselbe Verkäuferin bei den Überfällen traf, lud der Spielsüchtige seine Waffe ostentativ durch, um sein Opfer in Angst zu versetzen. 4300 Euro erbeutete er insgesamt.

Nun muss der geständige Täter mit einer langjährigen Haftstrafe rechnen. Schon etliche Jahre im Gefängnis hat Michael F. verbracht. Eine Bank und ein Lebensmittelgeschäft hatte er überfallen, jedes Mal um an Geld für Rauschgift zu kommen.

Nach seinem jüngsten zehnjährigen Haftaufenthalt hielt der 41-Jährige gerade einmal zwei Tage ohne Drogenkonsum durch. 800 Euro erhielt er nach der Haft Arbeitslosengeld, doch das reichte für seine Sucht nicht aus. Deshalb überfiel er am 16. Mai dieses Jahres einen Schlecker-Markt in München. Mit einer Blut gefüllten Spritze bedrohte er eine Verkäuferin: "Ich habe Aids. Wenn Sie mir das Geld nicht geben, werde ich Sie infizieren."

Die völlig verängstigte Frau gab dem Mann, der nicht an HIV erkrankt ist, 1150 Euro aus der Kasse. Einen Monat später überfiel F. eine Apotheke. Auf die Geldforderung des mit einem Messer bewaffneten Räubers reagierte der Inhaber jedoch barsch: "Ne, raus!" F. ergriff sofort die Flucht.

Unterwegs ging er mit seinem Messer eine Frau an einem Geldautomaten an, blieb aber auch hier erfolglos. Die Bankkundin erlitt allerdings einen schweren Schock und musste mehrere Wochen in stationäre psychiatrische Behandlung. Der Prozess vor der zweiten Strafkammer dauert an.

© SZ vom 15.11.2011/afis - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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