Trudering:Angemessen gemein

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Ob Eisner links oder Strauß rechts: Mann hat’s nicht leicht. Dem Zauberorakel hat Autor Winfried Frey ins Textbuch geschrieben: „Männer braucht man nur no zum Besamen, alles andre erledigen selbst die Damen.“ (Foto: Florian Peljak)

Das Derblecken des Ostens, das "Truderinger Ventil", spielt dieses Mal im Mittelalter. Doch das weise Orakel weiß, was man im 21. Jahrhundert machen kann gegen die Macht der Frauen: "Nix!"

Von Renate Winkler-Schlang, Trudering

Das soll der große Nockherberg am Dienstag seiner kleinen Schwester, dem Truderinger Ventil, erst mal nachmachen. Ein begeistert beklatschtes Singspiel mit feinen Pointen, das den Bogen vom Mittelalter bis zu Weissagungen fürs 21. Jahrhundert spannte, und eine gereimte Rede von Miracelix, dem vieräugigen Hellseher und Druiden, der aus seiner magischen Kugel, dem "früheren Google", alles erfahren konnte über die Politiker des Münchner Ostens, von Bezirksausschuss über Stadtrat, OB-Büro und Landtag bis zum Bundestag. Winfried Frey hat wieder das Kunststück geschafft, fürs Ventil angemessen gemeine Texte zu schreiben, zu dichten und zu finden, aus seiner Crew aus tollen Schauspielern und engagierten Helfern als Regisseur alles rauszuholen und am Ende als "Prediger" mit großer Präsenz den Großkopferten die Leviten zu lesen und den Saal zu rocken.

Es soll ja mächtige Menschen geben, die beim Staatsakt zum 100. Geburtstag des Freistaates Kurt Eisner, Bayerns ersten Ministerpräsidenten, einfach mal völlig unerwähnt ließen. Beim Ventil war das anders. Frey hat Eisner eine tragende Rolle zugedacht als "Kurt, der Ritter Rost mit dem Eisenhut" (Bernhard Ulrich, der tapfer berlinerte). Der agierte im Singspiel auf Augenhöhe mit dem anderen starken Mann in Rüstung, dem "schwarzen Ritter Franz Josef aus dem Straußen-Ei" (Georg Thaller, der nicht nur singen kann, sondern herrlich wie das Vorbild mit dem Nacken zuckte). Wie man das so tut im Mittelalter, befragen beide das von Sirenen begleitete eigensinnige Orakel Du-mi-aa (Petra Auer, perfekt auf alt geschminkt, aufwendig gewandet). Beide hoffen auf eine glänzende Zukunft ihrer roten und schwarzen Getreuen.

Doch Du-mi-aa kann da nur wenig verheißen. Einzig Indira-Zeni (Sushila Mai), Inderin, aber "do dahoam", mit Sari überm Dirndl, kann am Ende frohlocken: Das Orakel sagt die Macht der Frauen voraus. Und hat nur ein Wort auf die bange Frage der eisernen, bestens gerüsteten Männer, was man dagegen machen könne: "Nix."

Freilich musste Frey nicht alles alleine texten, er hatte quasi einen Co-Autor: Alle Texte von Ritter Franz Josef waren Original-Zitate aus den saftigen Reden des CSU-Übervaters und früheren Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß. Sie passten ins feministische Spiel wie bestellt.

Man muss gut hinhören, um in diesem Feuerwerk der Gags alles mitzubekommen, etwa den Spruch des Orakels, dass das lila Kulturzentrum, der viereckige Klotz, in dem das alles spielt, "eigentlich gar net amal so schee" sei. Dennoch waren sie natürlich alle gekommen, die Politiker - es sind ja andauernd irgendwelche Wahlen. Da macht man gute Miene, auch wenn man, wie der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Stefinger (CSU), Straußens Plüsch-Steckenpferd halten darf, oder wie SPD-Stadtrat Helmut Schmid bescheinigt bekommt, man werde "staader und fader". Für CSU-Generalsekretär Markus Blume prophezeit der Redner, dass dieser auch nach Markus Söder nicht Ministerpräsident werden könne - sondern höchstens der Prinzgemahl seiner Frau Janet Blume (CSU). Merke: Frauen kommen an die Macht. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Claudia Tausend schreit gleich selber ganz laut "Hier", als Miracelix nach denen fragt, die Gutes leisten. Siehe: Eine Frau an der Macht. Dem Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) unterstellt der Magier, er strebe Höheres an - nämlich Schausteller und Direktor zu werden: München werde bald Deutschlands größter Freizeitpark, der Himmel voll von Seilbahnen und Riesenrädern, unterirdisch fahren Bier-U-Boote. Die Münchner, die müssten ja ohnehin gehen - hinaus in den Speckgürtel, wo sie sich vielleicht noch ein bisschen mehr leisten können als ein Wohnklo. Applaus!

© SZ vom 11.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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