Theater:Pinkeln am Büffet

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"Nur die Liebe zählt ..." im Pathos zerhackt Fleisch und Flausen

Von Sabine Leucht, München

Hackfleisch! Das ist das Leitmotiv dieses Abends. Erst stehen da zwei Frauen im Pathos Theater an einem Holztisch und stellen es her. Die eine schneidet Würfel zurecht, die die andere durch den Fleischwolf dreht. Die Dreherin trägt ein Brautkleid, die Cutterin ein schwarzes Superhelden-Kostüm. Mundschutz und Handschuhe legen sie später ab, um an einem mit rosarotem Kitsch eingedeckten Büffet aus Tagebüchern zu lesen, Kirschkerne zu spucken und rätselhafte Sentenzen austauschen, die wirken, als hätten sie einen Goldrahmen um sich herum.

"Nur die Liebe zählt, haben sie gesagt" ist Anne Kapsners Abschlussarbeit an der HfMDK Frankfurt. Sie setzt sich mit der Desillusionierung der Ende-20-Jährigen auseinander und mit dem Erschrecken vor der eigenen "weiblichen" Sozialisation. Als Basis dafür haben die mit auf der Bühne stehende Regisseurin und die Schauspielerin Charlotte Mednansky im Lockdown stundenlange Gespräche geführt. Davon ist vordergründig kaum was übrig in der Performance, die erfreulich wenige Erwartungen bedient und fast alles Plakative an die Ausstatterin Sophie Tautorus delegiert. Über Kerzen, blinkende Rosensträußchen und Törtchen hinweg, die so fake sind wie manche Versprechen (während interessanterweise alles sexuell Konnotierte vom Würstchen bis zur Sprühsahne essbar ist), taxieren die beiden einander. Sie triggern Sehnsuchts- und Schmerzpunkte, ohne Nabelschau zu betreiben. Wie viel Angst hat das Wir vor Voreinander-Pinkeln und Tofubolognese? Hilft das Dating-Portal OkCupid, helfen Heldenposen bei Partnerwahl und Selbsterkenntnis? Beantwortet wird nichts. Mit Sekt, "romantischem Blick", Carl-Hegemann-, Byung-Chul-Han- und Film-Zitaten, Handkamera und eingespielten Songs geht der Abend einen Mittelweg zwischen Bekenntnis und Analyse. Mal selbstironisch, mal klug, mal prätentiös - und im Ganzen so zerstückelt wie Hackfleisch. Was passt, schließlich werden hier Illusionen geschreddert.

© SZ vom 10.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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