Theater im Stadtmuseum:Weihnachten auf Wanderschaft

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Auf den Weg nach Bethlehem machen sich auch die Hirten mit ihren Tieren. Sie gehören zu den 150 handgefertigten Figuren, die im mechanischen Welttheater bewegt werden. (Foto: ROBERT JENTZSCH)

Das Hoftheater Dresden erzählt die Geschichte von der Geburt Christi mit einem gigantischen "Wimmelbild". Nun zeigt es sein bewegtes Theatrum Mundi im Münchner Stadtmuseum.

Von Barbara Hordych

Wenn es heißt, "jedermann machte sich auf, um sich zählen zu lassen", dann versteht Dirk Neumann diese Zeilen aus der biblischen Weihnachtsgeschichte in seinem Theatrum Mundi ganz wörtlich: "In unserem mechanischen Welttheater machen sich Kameltreiber, störrische Esel, Fakire, Schlangenbeschwörer, römische Soldaten, Melonenverkäufer, Hirten und natürlich auch der Zimmermann Joseph und seine schwangere Frau Maria auf den Weg nach Bethlehem", erklärt der Leiter des Dresdner Hoftheaters.

Rund 150 Figuren werden von ihm und zwei weiteren Puppenspielern auf vier Laufbänder gesetzt, die vor wechselnden Hintergründen mittels einer Handkurbel vor und zurück bewegt werden. Rund drei Jahre haben die Arbeiten an dem mechanischen Welttheater gedauert, beteiligt waren Schreiner, Kulissen- und Porzellanmaler sowie die Konstrukteure der vier Meter hohen und drei Meter langen Maschine, die das gigantische "Wimmelbild" zum Laufen bringt.

"Wir erzählen zwar die Geschichte von der Geburt des Jesuskindes aus der Bibel, halten aber die historischen Bezüge präsent und erlauben uns auch den ein oder anderen Scherz", sagt Neumann. Es seien Geschehnisse, die sich unter einer Besatzungsmacht im Zweistromland abspielten, "und wenn sich ein ganzes Volk auf Befehl des Kaisers Augustus auf Wanderschaft begibt, dann sind bei uns eben auch Gangster mit von der Partie, die die Westbank ausrauben wollen", sagt Neumann.

Die Wüste Sinai durchqueren bei ihm nicht nur die drei Weisen aus dem Morgenland, sondern auch Sträflinge. "Opi, schau mal, die tragen Schlafanzüge", ruft ein ahnungsloser Junge beim Anblick der Gefangenen. "Das sind Gaza-Streifen auf ihren Kleidern", erklärt ihm der Opa.

Das mechanische Welttheater war schon vor zweihundertfünfzig Jahren eine Attraktion, die das Publikum in Staunen versetzte. Puppenspieler und Schausteller präsentierten ihre Wunderwerke in Gasthöfen oder auf Jahrmärkten. Mittels einfacher mechanischer Prinzipien wurden überraschende Effekte erreicht: Durch die Verbindung von Rad, Kurbel und Riemen wird Drehbewegung in vertikale und horizontale Bewegung umgewandelt und den kleinen Figuren vor den aufwendig bemalten Kulissen Leben eingehaucht.

Das Theatrum Mundi war der ideale Ort für Geschichten, die die Welt bewegen: historische und aktuelle Berichte, Mythen, Sagen und sensationelle Ereignisse. Es zeigte die Welt im Kleinen, als eine Art Tages- oder Wochenschau zu einer Zeit, in der man weder Kino noch Fernsehen kannte. Bis in die Zwanziger Jahre war das mechanische Theater insbesondere bei den sächsischen Wandermarionettentheatern sehr verbreitet; verlor aber parallel zur Entwicklung neuer Medien abrupt an Bedeutung.

Vor zehn Jahren hat Neumann seine Weihnachtsgeschichte im Hoftheater Dresden herausgebracht. "Dem Theatrum Mundi wohnt eine ganz besondere Poesie inne, weil es seine Zuschauer trotz oder vielleicht auch gerade wegen seiner einfachen und durchschaubaren Mechanik in Staunen versetzt", hat er erfahren.

Die Gründung des Hoftheaters am Rande von Dresden in einem ehemaligen, umgebauten Bauernhof geht übrigens auf seinen Schwiegervater, den Schauspieler Rolf Hoppe (u. a. bekannt aus dem Film Mephisto), zurück. "Der hat sich mit diesem Liebhabertheater, in dem er bis heute noch auftritt, nach der Wende einen Herzenswunsch erfüllt."

Theatrum Mundi Weihnachtsgeschichte, ab 5 J., So., 10. Dez., 16 Uhr, Stadtmuseum, Sankt-Jakobs-Platz 1, 089/23322370

© SZ EXTRA vom 07.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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