Thalkirchen:Verstellter Blick

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Lokalbaukommission und Architekt streiten darüber, wie es mit dem früheren Isartalbahn-Betriebshof weitergehen soll

Von Julian Raff, Thalkirchen

Wo einst die Dampfloks der Isartalbahn schnaubten, dampft es heute in den Köpfen der IT-Spezialisten: Die Backsteinbauten des früheren Isartalbahn-Betriebshofs nördlich des Asamschlössls haben sich nach jahrzehntelangem Leerstand und Verfall in ein überwiegend von Start-ups genutztes Gewerbegebiet verwandelt, das von der Maria-Einsiedel-Straße aus dennoch als Industriedenkmal auffällt. Ein Zusatzbau erfordert wohl planerisches Fingerspitzengefühl, scheint aber möglich, nachdem sich das Verwaltungsgericht in einem Rechtsstreit zwischen Stadt und Investor hinter Letzteren gestellt hat.

Die 1891 gebauten, bis 1956 direkt bahntechnisch, anschließend als Schienenwerk genutzten Hallen hatten seit 1980 vom Trödelmarkt bis zur Golfanlage diverse Teilnutzungen gesehen. Sie verfielen aber zusehends, auch nachdem von 2004 an ein Oberhachinger Immobilienunternehmen hier Büro-Lofts einrichten wollte, den Plan aber wegen Absatz- und Finanzierungsproblemen nicht umsetzen konnte. Die Wende brachte schließlich 2014 der Einstieg des Münchner Immobilienentwicklers Uwe Binnberg, der die Gebäude sanieren ließ und hier IT-Startups, zwei Modefirmen und Dienstleister ansiedelte.

Um die anhaltende Nachfrage zu bedienen, plant Binnberg, der das Ensemble im Südteil bereits um einen modernen Bau ergänzt hat, ein weiteres 32,5- mal 16 Meter großes einstöckiges Gebäude und hat für drei Baufelder im Süden, der Mitte und im Norden des Geländestreifens Vorbescheidsanträge eingereicht. Da die Lokschuppen einzeln, aber nicht als Ensemble geschützt sind und der Bauherr auf die laut Bebauungsplan möglichen Verbindungsbauten verzichtet hatte, kann sich die Untere Denkmalschutzbehörde die Süd-, eventuell auch die Mittelvariante, vorstellen, wie Binnbergs Anwalt Herbert Kaltenegger vor Gericht aus Vorgesprächen berichtete. Die Lokalbaukommission (LBK) beschied dennoch pauschal abschlägig, da Bebauungs- und Flächennutzungsplan das Gelände als "Kerngebiet" ausweisen, es also für zentrale Einrichtungen der Wirtschaft, Verwaltung oder Kultur reservieren. Verwaltungsrichterin Marion Pauli-Gerz machte von Anfang an klar, dass diese eher innerstädtische Struktur hier weder vorhanden noch machbar sei. Zudem sei das 190 mal 40 Meter große Areal nach geltender Rechtsprechung zu klein. Ersatzweise argumentiert die LBK, dass der Neubau nicht nach dem Umgebungs-Paragrafen 34 des Baugesetzbuchs genehmigt werden kann, da er im Außenbereich liege. Für Pauli-Gerz ebenfalls nicht stichhaltig - im Norden schlössen dafür die Wohnhäuser an der Maria-Einsiedel-Straße zu dicht auf, im Süden verhinderten das Maria-Einsiedel-Bad und die Kleingärten das Wuchern einer "Splittersiedlung".

Vollends in sich zusammen fällt aus richterlicher Sicht schließlich die Kerngebiets-Ausweisung, da der Flächennutzungsplan Teile desselben Geländes als schützenswerte Grünfläche kartiert. "So etwas habe ich auch noch nicht erlebt", merkte die erfahrene Juristin an. Auch dem Vertreter der LBK blieb nur, den Planungsfehler im Namen der Behörde einzuräumen und anzuerkennen, dass der Widerspruch die Planbestimmungen unwirksam macht.

De facto, so Verwaltungsrichterin Pauli-Gerz, würde mit der südlichen Variante kein Grünzug zerstört, da sich hier ein legaler Parkplatz befindet, wie auch auf dem mittleren Baufeld. Unter dem Denkmalschutzaspekt sprach sich die Richterin allerdings klar gegen die mittlere und die Nordvariante aus, da beide von der Maria-Einsiedel-Straße aus den Blick auf die historischen Lokschuppen verstellen würden. Anwalt Herbert Kaltenegger stellte eine Einigung übers südliche Baufeld in Aussicht, der LBK-Vertreter widersprach erst einmal vorsorglich Marion Pauli-Gerz' Ausführungen um den Behördenstandpunkt intern neu justieren zu können. Das Verfahren wird schriftlich fortgesetzt und soll bis 18. November abgeschlossen sein, falls sich die Parteien nicht zuvor auf Basis der richterlichen Empfehlungen einigen.

© SZ vom 08.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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