Kritik:Ein Echo des 19. Jahrhunderts

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Christian Tetzlaff und das Konzerthausorchester Berlin faszinieren bei ihrem Auftritt in der Isarphilharmonie.

Von Paul Schäufele, München

Der Moment, in dem Christian Tetzlaff sich aufs Podium der internationalen Klassikszene katapultierte - die legendäre Interpretation des stachligen Schönberg-Konzerts -, liegt schon ein paar Jahrzehnte zurück. Was folgte, waren umjubelte Konzerte, Referenzaufnahmen von Klassikern, Wiederentdeckungen und Neuheiten. Mit anderen Worten: Christian Tetzlaff ist kein Neuling und bühnenscheu ist er auch nicht. Und doch gibt es etwas an ihm, das nicht aufhört zu faszinieren. Wenn er Antonín Dvořáks Violinkonzert spielt, kommt man dem Rätsel etwas näher.

Die ganze Gestalt wirkt wie ein Echo des neunzehnten Jahrhunderts, so wie man sich den Geiger Joseph Joachim vorstellt, in den Jahren, in denen er Clara Schumann gefallen hat, ein feuriger Künstler, der aber auch schon erste Zeichen professoraler Vergrübelung zeigt. Kurzum, eine Figur höchster Souveränität, ein gelehrter Rhapsode, dem man blind folgt. Hier erweist sich Tetzlaff als Universalist, einer, der die filigranen Verästelungen der Solo-Stimme im ersten Satz ohne Schlacken und übertriebenes Rubato-Gehabe nachvollzieht, aber ebenso einsteht für die Lyrismen im zweiten Satz und das musikantisch-tänzerische Finale.

Bei alldem kommt es Tetzlaff nicht auf den großen Ton an oder die Ausstellung seiner Virtuosität. Die versteht sich von selbst. Nein, er möchte die Sache einfach auf den Punkt bringen. Das Konzerthausorchester Berlin unter Christoph Eschenbach ist da in der Isarphilharmonie ein kongenialer Partner. Doch am deutlichsten wird dieser Ansatz, wenn Tetzlaff ganz alleine spielt. In der Loure aus Bachs E-Dur-Partita geht er dynamisch ans Extrem - leiser geht es kaum. Doch ein gebanntes Konzertpublikum hängt an jeder Note. Frei nach Rilke: Dieser Geiger hat uns in der Hand.

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