Aubing:Eingriff ins dörfliche Herz

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Andreas Bieleck, Dienststellenleiter des Technischen Hilfswerks München-West, muss das THW vergrößern und braucht Platz. Den hofft er ausgerechnet in der alten Ortsmitte Aubings zu finden. (Foto: Robert Haas)

Das Technische Hilfswerk München-West hat Platzprobleme, es gibt Pläne, den Standort an der Ubostraße zu erweitern. Doch der Widerstand ist groß. Andere hätten an dieser Stelle im Aubinger Zentrum gern ein Seniorenheim.

Von Ellen Draxel, Aubing

Aubings dörfliches Herz rund um die Kirche St. Quirin soll neu gestaltet werden. Vorgesehen ist die Auslobung eines städtebaulichen Wettbewerbs, der Prozess impliziert eine umfassende Bürgerbeteiligung. Doch Pläne, den Standort des Technischen Hilfswerks (THW) an der Ubostraße 7 womöglich zu erweitern, sorgen schon vorab für Ärger. Denn eine räumliche Ausdehnung der seit 1987 ansässigen Organisation könnte einer Aufwertung des Areals und dem Bau eines sich von vielen in Bahnhofsnähe und der Ortsmitte gewünschten Seniorenheims zuwiderlaufen - fürchten zumindest einige Aubinger.

"Wir brauchen dringend mehr Platz, seit Jahren schon", erklärt Andreas Bieleck. Der 38-Jährige leitet die Dienststelle des Technischen Hilfswerks München-West. Das THW ist der älteste Nutzer des Areals, inzwischen aber fehlt es den Katastrophenschützern massiv an Räumlichkeiten. Die Verwaltungs- und Sozialräume sind zu eng, viele der Fahrzeuge passen nicht mehr in die vorhandenen Garagen. Von sieben großen Lastwagen, die das THW hat, müssen allein sechs mangels Unterstellmöglichkeiten im Freien geparkt werden - mit Folgen für die Lebensdauer und Nutzbarkeit der Lastwagen, Transporter und Pkw noch nicht mitgerechnet. Ein Antrag auf Vorbescheid sieht deshalb vor, mittels Neubauten die Kapazitäten für das THW zu erhöhen. Zwei Varianten wurden den derzeitigen Nutzern des Areals und den Aubinger Vereinen in diesem Kontext von der Münchner Gesellschaft für Stadterneuerung (MGS) und dem Planungsreferat vorgelegt, beide implizieren den Bau von Großgaragen. Bei einem der Vorschläge müsste zudem ein Reitstall weichen, der dort schon seit 30 Jahren existiert.

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Der Widerstand gegen diese Vergrößerung der THW-Flächen aber ist groß. "Das zu überplanende Areal ist eines der letzten sich in städtischer Hand befindlichen Filetstücke in Aubing", betonen die Vorsitzenden der Bürgervereinigung Aubing-Neuaubing, Karin Binsteiner und Jürgen Müller. Sie haben einen Brief an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) geschrieben, in dem sie ihrer Sorge Ausdruck verleihen, die vorgelegten Pläne könnten das Ziel des Wettbewerbs, zusätzliche Einrichtungen zur Stärkung des Gemeinwesens im Stadtteil zu realisieren, konterkarieren. Statt mehr Garagen für das THW wünschen sich beide für diese Ecke "im Sinne der Zukunftsvorsorge ein Altenheim mit integrierten Personalwohnungen und einem öffentlichen Treffpunkt" in Form eines Cafés oder einer Bürgerstube. Die Erweiterung der Zivil- und Katastrophenschutzorganisation des Bundes fänden sie besser in einem Gewerbegebiet angesiedelt. Ähnlich äußert sich der Vorsitzende des Fördervereins 1000 Jahre Urkunde Aubing, Klaus Bichlmayer, der sich deshalb an Stadtbaurätin Elisabeth Merk gewandt hat. Auch zehn Stadträte von SPD und Grünen plädieren für den Bau einer Senioreneinrichtung, ihr Antrag dazu wird von der Verwaltung derzeit geprüft.

Dass die Pläne zur Fällung von bis zu 47 Bäumen führen könnten, von denen 37 unter die Baumschutzverordnung fallen, finden der Förderverein und die Bürgervereinigung besonders problematisch. "Der Ortskern ist schon zu 60 Prozent versiegelt", kritisieren sie in ihrer jüngsten gemeinsamen Pressemitteilung. Das "wenige Grün, welches noch da ist", solle nun auch noch Garagengebäuden weichen.

Verschandelnde Blechgaragen will niemand

Bieleck kann diese Wünsche allesamt nachvollziehen, ärgert sich aber, dass bislang keiner der Kritiker mit ihm persönlich gesprochen hat. Denn ihm ist die Zukunft Aubings ebenfalls wichtig. "Ich bin seit 20 Jahren beim THW, und in dieser Zeit habe ich, als Germeringer, Aubing lieb gewonnen." Das Ortsbild verschandelnde Blechgaragen will auch er keine haben, stattdessen sollen die Gebäude Giebeldächer und Holzfassaden und eine Ausfahrt Richtung Georg-Böhmer-Straße bekommen. Außerdem setzt er sich dafür ein, dass es eine Lösung mit allen bisherigen Nutzern gibt, inklusive Reitstall.

Stallbesitzerin Andrea Dirndorfer war anfangs von dem Vorbescheid "geschockt", wie sie gesteht. Inzwischen haben die Reitpädagogin und Bieleck gemeinsam nach praktikablen Wegen gesucht - und sind überzeugt, dass es sie gibt. Eine Idee wäre, die dem Freiflächenverein gehörende Belandwiese in der Zeit, in der keine Festivitäten stattfinden, als Koppel mit zu nutzen. Der Verein zeigt sich dafür offen. Sämtliche Interessen zusammenzuführen, betont Bieleck, sei letztlich jedoch Aufgabe der MGS.

Keinesfalls denkbar ist aus Sicht des Dienststellenleiters aber, dass der technische Part des THW anderswo ausgelagert wird. "Eine Trennung der Fahrzeuge von den Leuten, die damit arbeiten müssen, ist von unserem Dienstbetrieb her einfach nicht möglich." Die Geräte würden auch zum Üben mit den Jugendlichen gebraucht.

Rund 80 Erwachsene und mehr als 40 Jugendliche engagieren sich beim THW in Aubing, ehrenamtlich. Sie unterstützen bei Brandlöschungen wie jüngst bei einem Recyclinghof in Langwied. Sie bergen die Ladung umgestürzter Fahrzeuge, sorgen für Notbeleuchtung, wenn der Strom ausfällt, verhindern, dass nach Katastrophen Gebäude einstürzen. In der Coronakrise hat das THW anfangs dafür gesorgt, dass Masken und Schutzkittel verteilt wurden, jetzt transportieren die Helferinnen und Helfer Beatmungsgeräte. "All das machen wir freiwillig, ohne Vergütung." Bieleck selbst investiert jährlich zwischen 1500 und 3000 Stunden in die THW-Arbeit und bekommt als Ortsbeauftragter des Standorts München-West dafür lediglich 800 Euro Aufwandsentschädigung pro Jahr. Er weiß: "Ein Standort wie hier, wo die Anbindung gut ist, wo es Nachbarn gibt, da finden sich auch Aktive. Anderswo klappt das weniger." Eine ehrenamtlich getragene Hilfsorganisation in einem menschenleeren Gewerbegebiet anzusiedeln sei "nicht gerade die beste Motivation".

Unterstützung findet Bieleck bei Sebastian Kriesel (CSU). "Erklärtes Ziel des Bezirksausschusses ist es, dass alle jetzigen Nutzer bleiben können", sagt Aubings Stadtteilgremiums-Chef. Kriesel ist auch Vorsitzender des Freiflächenvereins.

© SZ vom 15.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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