SZenario:Die Schnecke an der Senf-Tankstelle

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Karikaturist Rudi Hurzlmeier und Autorin Dana von Suffrin erhalten den Ernst-Hoferichter-Preis bei einer angemessen unernsten Verleihung mit tiefen Pointen

Von Philipp Crone, München

An diesem Abend ist nicht nur die Frage, ob jemand den Ausführungen von Gerhard Polt etwas entgegenzusetzen hat. Denn wann immer der 77-jährige Kabarettist bei einer Veranstaltung spricht, wird es für andere Redner schwer. Am Donnerstagabend allerdings ist die Verleihung der Ernst-Hoferichter-Preise ein Treffen von Humoristen, also mit durchaus ebenbürtigen Redegegnern. Da stellt sich die zweite Frage: Wie gehen Meister der Komik eigentlich miteinander um, gerade wenn sie sich loben sollen? Dieser Abend im mit mehr als 300 Gästen restlos besetzten Saal des Literaturhauses hat in der Hinsicht einige Überraschungen parat. Allein dass ein fulminanter Auftritt von Polt so elegant pariert wird, das ist selten.

Die Preisträger stehen vor Beginn der Verleihung zusammen, Autorin Dana von Suffrin erzählt Karikaturist Rudi Hurzlmeier, dass sie zwei Nächte lang kaum geschlafen habe. Die Autorin des viel gepriesenen Debüt-Romans "Otto" hat einen Mitpreisträger an der Seite, der zumindest nach außen hin den Anschein erweckt, als ob ihn so ein Abend mit einer Laudatio von Polt und der Anwesenheit von Humoristenkollegen wie Bruno Jonas oder Fredl Fesl nicht juckt. Hurzlmeier trägt das lichte Stirnhaar wie immer steil nach vorne gekämmt, als ob er sich nicht zwischen einer Schirmhaube und einem Einhorn-Look entscheiden konnte. Der 67-Jährige sieht sich mit zu Querspalten verengten Augen um, und man weiß mal wieder nicht so recht, ob der Mann gerade einen ironischen Angriff plant oder einfach nur lieb umherschaut. Bei der 35-jährigen Dana von Suffrin ist vor allem Freude und Aufregung zu sehen. Sie ist auch gleich als Erste dran und wird von Schriftsteller Kristof Magnusson gepriesen, also vielmehr ihr Roman.

Dana von Suffrin mischt in ihrem Buch Humor mit Schwermut. Die Autorin erzählt Karikaturist Rudi Hurzlmeier (rechts), dass sie zwei Nächte lang kaum geschlafen habe. (Foto: Sebastian Gabriel)

Magnusson stellt zunächst klar, dass das Buch keinen Humor der Pointenfrequenz enthalte. Das ist für die Preisträgerin insofern angenehm, weil Magnusson sie so von der eher bissig-zupackenden Hurzlmeier-Polt-Kategorie gleich mal unterscheidet. Im Sinne des Schauspielers und Humoristen Hoferichter ist aber selbstverständlich auch "Otto" voller Witz, enthält dabei aber einen dezenteren Humor, "der sich mit Schwermut mischt". Denn wie so oft bei Erstlingen gehe es auch in diesem Debüt um das Thema Familie, sagt Magnusson, in dem Fall um den Vater von Dana von Suffrin, Otto, und dessen zwei Töchter. Um aberwitzig komische und zugleich tragische Situationen, etwa das regelmäßige Aufwachen des todkranken Mannes aus dem Wachkoma, gemischt mit wunderbar nachdenklichen Gedanken, Sätzen wie: "Wir bleiben Kinder von Kindern." Von Suffrin erzähle auf 200 Seiten mit großer Tiefe, wie Erfahrungen von Eltern in den Kindern fortwirken. Anschließend liest die Autorin und ist dabei so sympathisch aufgeregt, dass sich selbst so abgebrühten Rampensäuen wie Polt ein unterstützendes Zulächeln auf die Lippen legt. Applaus, Auftritt Polt.

Schon die Körperhaltung ist komisch, wie ein großes Gamma hängt er über dem Pult, den Blick über die Lesebrille auf Hurzlmeier gerichtet. Der Humorist, der auch wöchentlich in der SZ eine Karikatur veröffentlicht ("Hurzlmeiermalerei" im Meinungsressort dieser Ausgabe), streicht sich über das Einhorn-Haar. Was da wohl kommt? Erst mal ein "Reschbeggd, Rudi", gefolgt von einer herrlichen Steigerung. "Über den Rudi ist schon vieles, vermutlich auch Essentielles vorgetragen worden", sagt er, nur um dann noch essentieller zu werden: "Aber das Endgültige über ihn, das steht noch aus." Und folgt natürlich jetzt gleich von ihm, Polt. Lob samt Veralberung durch das Stilmittel der Übertreibung, Polt zeigt diese Kunst in Perfektion.

"Reschbeggd, Rudi." Laudator Gerhard Polt würdigt Hurzlmeier mit albernen und aberwitzigen Liebeserklärungen. (Foto: Sebastian Gabriel)

Hurzlmeier, der vor 40 Jahren schon mit Fredl Fesl gearbeitet und als Publizist mehr als 45 Bücher unter anderem mit Wiglaf Droste oder Truman Capote veröffentlicht hat, wird hier vor allem für seine bunten Karikaturen gelobt. "Ich möchte mich kurz fassen und fange deshalb bei den Höhlenmenschen an", sagt Polt, ehe er die Großen der Malerei aufzählt. Bruno Jonas ist da längst in einen vor Lachen dauerzuckenden Zustand übergegangen. "Der Mensch braucht Bilder, ist er doch selbst eins." Leonardo, Dürer, Michelangelo, Rembrandt, der "ubiquitiert, er allroundet", Rubens, Manet, Van Gogh und so weiter. Und dann, natürlich: "Ja, und in dieser Reihe illustrer..." Der Rest geht im Gelächter unter "... auch unser verehrter Rudi Hurzlmeier keine Ausnahme. Und deshalb noch amal: Reschbeggd!!!"

Hurzlmeier bedankt sich bei "meinem sehr fachkundigen Laudator", der sich da "richtig was drauf gschafft hat. Ich weiß, dass er früher nichts davon verstanden hat." Liebeserklärungen unter Humoristen. Gebrüll im Saal vor Lachen, ehe der Preisträger noch den sehr "weisen Mitgliedern der Jury" dankt. Er nutzt ein anderes Stilmittel, das der offenkundigen Hybris, ehe er einige seiner Bilder zeigt und erklärt. Etwa das von der Senf-Tankstelle, vor der auf der Straße eine Schnecke vorbeifährt. Schnecken seien den Autos einfach überlegen, sähen so aus wie Autos, bauten aber keine Unfälle, bräuchten aber keine Garage, weil sie "quasi im Auto übernachten". Eines der beispielhaft hurzlmeierischen Bilder, deren Prinzip Bruno Jonas so beschreibt: "Er täuscht mit der Farbe an", das eher brave, schöne Bild, "aber dann kommt die feine Gemeinheit." Hurzlmeier schließt mit dem Credo: "Wo der Spaß aufhört, fängt Humor an", vor allem solcher wie der von ihm, Polt und auch von Suffrin. Und wer dieser tiefpointigen Sprache mächtig ist, für den gibt es eben nichts Schöneres, als damit würdevoll veralbert zu werden.

© SZ vom 01.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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