Klassik:Zum Klingen bringen

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Isabell Faust spielt bei ihrem Auftritt in der Isarphilharmonie das Violinkonzert von Benjamin Britten. (Foto: Felix Broede)

Die BR-Symphoniker unter Dirigent Jakub Hrůša geben erste Konzerte in der neuen Isarphilharmonie.

Von Michael Stallknecht

Es ist wahrscheinlich schwer, jemanden zu finden, der momentan nicht von der Isarphilharmonie begeistert wäre. "Fantastisch, dass es das in München gibt", meint auch Ulrich Hauschild, Orchestermanager des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks. Wie viele überzeugt ihn die neue Nähe zwischen Publikum und Musikern in dem Raum und - "ein guter, warmer, kompakter Klang" - die Akustik. Die werden am kommenden Donnerstag und Freitag erstmals auch die BR-Symphoniker austesten, mit einem interessanten Programm: Isabelle Faust spielt das Violinkonzert von Benjamin Britten. Dazu hat Dirigent Jakub Hrůša neben der Ersten Symphonie von Dmitri Schostakowitsch ein Stück des vergessenen, einst schwer vom Sozialismus drangsalierten Miloslav Kabeláč aus seiner tschechischen Heimat mitgebracht.

Der Aufmerksamkeitsvorteil durch den neuen Saal liegt derzeit trotzdem klar bei den Münchner Philharmonikern, die hier bereits eine ganze Reihe von Konzerten gespielt haben. Das entspricht dem Zweitbelegungsrecht, das schon im alten Gasteig für die BR-Symphoniker galt: Bei der Planung müssen sie auf die Philharmoniker warten, was es ihnen erschwert, oft auf Jahre vergebene Stardirigenten und -solisten zu engagieren. Deshalb fordern sie schon lange einen eigenen Saal, der bekanntlich im Werksviertel hinter dem Ostbahnhof entstehen soll. Der Freistaat Bayern hat sich zu dem Projekt bekannt; 2025 könnte mit dem Bau begonnen werden, bei Kosten von momentan, wahrscheinlich zu gering geschätzten 580 Millionen Euro. Doch immer wieder gibt es zweifelnde Stimmen, ob der Standort genug Platz bietet und repräsentativ genug ist. In der alten Konkurrenz zwischen Philharmonikern und BR - die immer auch eine ist zwischen Stadt und Freistaat, zwischen SPD und CSU - wirken die Philharmoniker da momentan wie das schlaue Stacheltier im Märchen von Hase und Igel: "Ick bün all hier!", können sie sagen, nachdem ihr Interimsquartier in - Planung eingeschlossen - nur drei Jahren für vierzig Millionen Euro hochgezogen wurde.

"Geduld!", kann da der Hase nur noch rufen, "Geduld für eine solide und langfristige Planung", wie Ulrich Hauschild anmahnt. Die Abstimmung zwischen dem BR, dem Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, den Architekten und dem Akustiker für den eigenen Saal sei deutlich komplexer als bei der Isarphilharmonie, wo die Stadt alleiniger Bauherr war. Es sei etwas anderes, ob man ein Interim plane oder "das digitale Konzerthaus des 21. Jahrhunderts", inklusive umfangreichen Platzes für Musikvermittlung. Hauschild verweist etwa auf die Situation hinter der Bühne in der Isarphilharmonie: Für große Besetzungen stünden dort kaum genug Garderoben und Stimmzimmer zur Verfügung.

Die BR-Symphoniker haben Mühe, alle Abonnenten in der Isarphilharmonie unterzubringen

Einer der privaten Konzertveranstalter, die die Isarphilharmonie ebenfalls nutzen, hat kürzlich öffentlich ein interessantes Planspiel angestellt: Wenn die Isarphilharmonie am Ende kein Interim bliebe - dann hätte München mit dem Werksviertel irgendwann ein Überangebot an Sitzplätzen in ähnlich großen Sälen. "Ein Überangebot an Kultur kann es eigentlich gar nicht geben", ist Hauschild dagegen überzeugt. Schon jetzt habe man Mühe, die festen Abonnenten des BR in der Isarphilharmonie unterzubringen. Zwar seien einige abgesprungen, wegen Corona oder auch wegen längerer Anfahrtswege. Dafür aber seien andere dazugekommen, die unbedingt einen Stammplatz im angesagten Interim wollten. Bei BR-Konzerten stünden deshalb dort künftig deutlich weniger Karten für den freien Verkauf zur Verfügung.

Bis Jahresende übrigens haben die BR-Symphoniker ihr Abonnement noch ausgesetzt, weil sie sich nicht sicher waren, welche Saalbelegung die jeweils neuste Corona-Caprice des bayerischen Ministerpräsidenten zulassen würde. Für die Konzerte mit Isabelle Faust und Jakub Hrůša in dieser Woche gibt es daher noch reichlich Karten.

BR-Symphoniker, Do./Fr., 28./29. Okt., 20 Uhr, Isarphilharmonie, Infos unter www.br-so.de

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