SV Pullach:Gladbach-Gedächtniskonter

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Die Isartaler schießen wieder Tore, sie bezwingen Nördlingen, obwohl über eine halbe Stunde in Unterzahl, souverän mit 4:0. Überragender Mann ist dabei Innenverteidiger Alexander Jobst.

Von Gerhard Fischer, Pullach

Jede Fußball-Mannschaft hat ihr aktuelles Thema. Beim FC Bayern ist es der Umbruch. Bei Hannover 96 ist es der Zusammenbruch. Beim SV Pullach ging es zuletzt nur darum: Wann schießt der Bayernliga-Zweite endlich wieder Tore? Die jüngsten Spiele endeten nämlich so: 0:3 in Dachau, 0:4 gegen den TSV 1860 II, 0:0 in Vilzing. Eine Fußball-Mannschaft, die keine Tore erzielt, ist wie ein Orchester, das keine Töne erzeugt.

Wer am Samstag frühzeitig zum Sportplatz an der Gistlstraße kam, konnte schon vor dem Spiel gegen den TSV Nördlingen viele Pullacher Tore sehen - beim Aufwärmen. Die Feldspieler schossen von der Strafraumgrenze, die Torhüter Marjan Krasnic (Stammkeeper) und Luigi di Palma (Stellvertreter) reckten sich tapfer, aber die Bälle flogen in schöner Regelmäßigkeit in den Winkel, abgefeuert von offenbar torhungrigen Fußballern.

Dann pfiff der Schiri an - und die Pullacher stellten sofort ihr Feuer ein, 45 Minuten lang. "Wir waren in der ersten Halbzeit wahnsinnig nervös", sagte Trainer Frank Schmöller. "Zur Pause konnte man nicht davon ausgehen, dass wir am Ende 4:0 gewinnen." Auch nach 58 Minuten konnte man nicht davon ausgehen, da sah nämlich der Pullacher Martin Bauer - beim Stande von 1:0 - die Ampelkarte. Aber danach konterten zehn Gastgeber elf Gäste nach allen Regeln der Kunst aus, es waren Konter wie zum Gedächtnis an die Gladbacher Mannschaft der 70-er Jahre - ein Mann wie Frank Schmöller, der 52 ist und die Borussia in den Siebzigerjahren erlebt hat, wird sich noch daran erinnern. Das war schon schön, und Schmöller lobte seine Mannschaft auch für eine "bombastische Leistung von der Einstellung her"; er räumte aber auch ein, dass Nördlingen "uns zum Toreschießen eingeladen hat".

Lange, sehr lange sah es am Samstag so aus, als würde es ein enges Spiel werden. Die Gäste waren mit giftgrünen Stutzen angetreten, und sie begannen so aggressiv, dass einem die Farbsymbolik einfiel. Grün? Steht doch - unter anderem - für forsch und ja, auch: giftig. Nördlingen hatte in der ersten Halbzeit mehr Spielanteile und mehr Torchancen. Die beste Möglichkeit vergab Nico Schmidt. Es war ein kurioses Bild in dieser 13. Minute: Mehr als zehn Spieler, gelbe Pullacher und grün-bestutzte Nördlinger, standen im Strafraum der Gastgeber, und dennoch war einer am Elfer plötzlich völlig frei, quasi wie auf einer Lichtung: eben Nico Schmidt. Als ihm der Ball vor die Füße fiel, reagierte er aber hektisch und schlamperte die Kugel mit links am rechten Pfosten vorbei.

Bei Pullach fiel zunächst nur einer auf, der großartige Innenverteidiger Alexander Jobst. Er lief Bälle souverän ab, grätschte, dirigierte, motivierte Mitspieler - und schlug Netzer-Gedächtnispässe, in seinem Fall waren das präzise Diagonalbälle auf den linken Flügel, adressiert an den offensiven Außenspieler Max Zander oder den aufgerückten Henri Koudossou. Aber zunächst machte keiner was daraus.

Zur Pause brachte Schmöller Simon Ollert für den wirkungslosen Menelik Ngu'Ewodo, und in der 48. Minute trat das ein, worauf die Pullacher seit mehr als 300 Minuten gewartet hatten: Sie erzielten ein Tor, kein schönes, aber ein ganz wichtiges. Justin Gaigl schoss von links einen Freistoß in den Strafraum, und aus einer Spielertraube vor dem Nördlinger Tor ragte Max Zanders Fußspitze heraus, die den Ball über die Linie bugsierte. Der Stadionsprecher sagte das, was in diesem Moment gesagt werden musste, weil es Enthusiasmus und Erleichterung vereinte: "Da ist es passiert!"

Die Nördlinger schluckten das Gegentor wie eine giftgrüne Kröte und griffen an. Als Bauer vom Platz flog, erhöhte sich der Druck der Gäste, und Keeper Krasnic musste zweimal retten: einmal bei einem Holzmann-Knaller aus spitzem Winkel (66.) und einmal bei einem Distanzschuss von Lamprecht (68.). Aber dann sprachen die Gäste jene Einladungen aus, die Schmöller erwähnt hatte. Jobst, dieser überragende Jobst, schickte mal wieder Zander auf die Reise, der drang in den Strafraum ein und wurde gelegt. Lukas Dotzler tat seine Pflicht und verwandelte den Elfer (74.).

Dotzler kann aber auch die Kür: Fünf Minuten später wurde er halb rechts angespielt, lief aber nicht schnurgerade aufs Tor zu, sondern in Richtung des Strafraumecks - und hatte dort nur noch eine Möglichkeit, das 3:0 zu machen: durch einen künstlerisch wertvollen Heber über den Torwart. Was tat Dotzler? Er hob den Ball künstlerisch wertvoll über den Torwart in den Winkel. Schmöller schwärmte: "Wenn dieses Tor in der Champions League oder in der Bundesliga gefallen wäre, würden wir das heute Abend zehn Mal im Fernsehen sehen."

Und dann sah das Drehbuch das perfekte Ende vor: Beim Showdown trat der Held auf, Alexander Jobst, er köpfelte eine Ecke zum 4:0 ins Tor.

© SZ vom 25.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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