Strafprozess:Mutmaßlicher Mörder von Aline K.: Gestört, aber nicht schuldunfähig

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In diesem Wäldchen fand die Polizei die Leiche von Aline K. (Foto: Florian Peljak)
  • Der 31-jährige Michael P. hat vergangenes Jahr die 30 Jahre alte Aline K. erwürgt. Er muss sich derzeit am Münchner Schwurgericht wegen Mordes verantworten.
  • Nun hat ein Psychiater den Richtern ein Gutachten über den Angeklagten vorgelegt. P. habe eine "Borderline-Persönlichkeitsstörung" entwickelt, geht daraus hervor.
  • Die Störung sei jedoch nicht so stark, um eine Verminderung der Schuldfähigkeit zu rechtfertigen.

Von Christian Rost

Aline K. hat sich über zehn Jahre hinweg um ihren Freund gekümmert. Während der 31-jährige Michael P. Stunden vor dem Computer verbrachte oder mit seinem Hund spazieren ging, übernahm seine Lebensgefährtin noch einen zweiten Job, um das nötige Geld für den Lebensunterhalt aufzubringen. Als sich die 30-Jährige vergangenes Jahr von ihm abwandte, eine Affäre mit einem anderen Mann begann und sich schließlich trennen wollte, packte P. sie am Hals und erwürgte sie. Wegen Mordes muss sich der Mann derzeit am Münchner Schwurgericht verantworten. Zum Zeitpunkt der Tat, die er gestanden hat, war er voll schuldfähig.

Der Psychiater Cornelis Stadtland legte am Freitag den Richtern sein Gutachten über den Angeklagten vor. Daraus ergibt sich das Bild eines gefühlsarmen Mannes, der keine Schuldgefühle wegen des gewaltsamen Todes seiner Freundin hegte. "Nur wenn das Gespräch auf seinen Hund kam, war er sehr besorgt", berichtete der Psychiater von seinen Gesprächen mit ihm. Aline K. indes hatte "ein Helfersyndrom", wie Stadtland sagte, weshalb die Beziehung mit Michael P. wohl auch so lange hielt.

Die beiden hatten sich vor seinem 18. Geburtstag kennengelernt und zunächst zusammen in seinem Kinderzimmer im Elternhaus in Obermenzing gewohnt. Dann zogen sie um in eine Wohnung nach Neuperlach. Wegen seiner belasteten Kindheit - die Eltern stritten sich häufig und ließen sich scheiden - entwickelte P. eine "Borderline-Persönlichkeitsstörung", wie Stadtland ausführte. Dünnhäutig reagierte P. bei Konflikten mit seiner Freundin. Dies äußerte sich in häufigen und heftigen Wutanfällen, bei denen er auch Einrichtungsgegenstände zertrümmerte, in Fressanfällen und Suizidandrohungen. Vor allem, wenn Aline K. einmal alleine ausgehen wollte, rastete P. aus und betrank sich.

Auch als der Mann mit 28 Jahren allmählich psychisch stabiler wurde und bei einem Security-Unternehmen zu arbeiten begann, hielten die Eifersuchtsanfälle an. Aline K. distanzierte sich allmählich von ihm und begann ein Verhältnis mit einem Arbeitskollegen. P., der ihr ständig hinterherspionierte und auch ihr Handy überwachte, blieb das nicht verborgen. Am 8. Oktober 2015 stritten die beiden darüber, nachdem sie Sex gehabt hatten. P. weinte während dieser Auseinandersetzung, und als Aline K. sagte, "das Projekt", also ihre Beziehung, sei gescheitert, sie habe "etwas Besseres", tötete der Angeklagte sie. Er packte sie mit beiden Händen am Hals und drückte seine Daumen auf ihren Kehlkopf. Verteidiger Uwe Paschertz sprach von einer "schrecklichen Kurzschlusshandlung".

Für eine Wahnerkrankung ging der Angeklagte zu zielgerichtet vor

Die Leiche brachte P. von der Wohnung im fünften Stock mit dem Aufzug in die Tiefgarage. Dabei hielt er Aline K. so, als würde er sie umarmen. Mögliche Zeugen sollten damit getäuscht werden. Mit seinem Auto transportierte er Aline K. dann zu einer Kellerruine in Lochhausen, die er aus Kindertagen vom Spielen kannte. Er ließ den Körper in den Keller hinab und verabschiedete sich mit den Worten: "Ich komme bald wieder." So berichtete es P. dem psychiatrischen Gutachter. In den nächsten Stunden und Tagen verschickte der Wachmann fingierte SMS-Nachrichten im Namen von Aline K., um ihr freiwilliges Verschwinden vorzutäuschen. Ihre Handtasche mit ihrem Mobiltelefon platzierte er neben einem Auto in Freising.

Weil er sich an so viele Details der Tat erinnert und er danach sehr zielgerichtet vorgegangen war, schloss Stadtland eine Wahnerkrankung oder Schizophrenie bei dem Angeklagten aus. Die Persönlichkeitsstörung sei auch nicht so stark ausgeprägt, dass sie zu einer Verminderung der Schuldfähigkeit führen würde. Dass P. gelegentlich Halluzinationen hat - seit Kindertagen erscheint ihm immer wieder ein "Echsenmann" -, ist laut dem Psychiater auch keine schwerwiegende Störung. Solche psychotischen Erlebnisse hätten 2,5 Prozent der Bevölkerung. Der Prozess wird fortgesetzt.

© SZ vom 22.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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