Urteil für rüde Geste im Straßenverkehr:Der Stinkefinger und das Sackgesicht

Lesezeit: 2 min

Im Streit mit anderen Autofahrern zeigt ein junger Mann in München eine rüde Geste mit der Hand. Dafür soll er jetzt 900 Euro zahlen. Akzeptieren will er das nicht.

Von Susi Wimmer

Es soll ein ganz bestimmter ausgestreckter Finger im Spiel gewesen sein, dazu diverse Beleidigungen, darunter das böse F-Wort und ein "Sackgesicht": Vorkommnisse wie diese gehören im Münchner Straßenverkehr zum traurigen Alltag. Die Stadt wird voller, der Verkehr dichter, die Nerven zerrütteter. Der durchgestreckte Finger war der Staatsanwaltschaft in jenem Fall einen Strafbefehl über 900 Euro wert, doch der dazugehörige Handbesitzer wollte das nicht akzeptieren. Und so landete Daniele C. samt seinem mutmaßlichen Stinkefinger vor dem Münchner Amtsgericht.

"Wer aus dem Auto aussteigt, steht schon mit einem Bein im Gerichtssaal", so hatte es eine Amtsrichterin einmal in einem anderen Verfahren formuliert. Doch am Nachmittag des 7. März dieses Jahres war es nicht der Angeklagte, der zuerst sein Auto verließ. Daniele C., gelernter Maurer, war unterwegs zu einem Termin in München. Er saß auf dem Beifahrersitz, seine Freundin am Steuer. Sie seien die Landsberger Straße stadteinwärts gefahren, sagt er, als an einer Kreuzung plötzlich der Fahrer eines gelben Geldtransporter-Fahrzeugs zu hupen begonnen habe.

An der nächsten Kreuzung wieder das Hupen, an der dritten ebenso. Er habe daraufhin auf der Linksabbiegerspur zur Donnersbergerbrücke mit dem Zeigefinger auf die rote Ampel gezeigt, um zu signalisieren, dass man noch halten müsse. Nach dem Anfahren habe sie das gelbe Auto regelrecht nach links von der Straße gedrängt, sie hätten stoppen müssen, weil der Geldtransporter quer zur Fahrbahn stand. Zwei Männer seien ausgestiegen, hätten das Auto und ihn fotografiert und ihn beleidigt. Er habe daraufhin mit einer Anzeige gedroht, "ich selbst war nicht aggressiv", behauptet der 27-Jährige.

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

Die Männer im Geldtransporter sahen das anders. Ja, sagt Fabian S., er habe aus Verärgerung an der Kreuzung gehupt, weil viele Autofahrer die Geradeausspur benutzten, um sich dann an der Ampel in die stauträchtige Linksabbiegerspur reinzudrängeln. Er habe aber damit nicht das Auto von Daniele C. gemeint, sondern die Drängler. Der Mann auf dem Beifahrersitz habe daraufhin aus dem offenen Fenster den Stinkefinger gezeigt. Mehrfach. Man habe ihn zur Rede stellen wollen, sagt der Kollege, weil: "Muss man sich denn alles gefallen lassen?"

Der Staatsanwalt rät, den Einspruch zurückzunehmen

Der Geldtransporter-Fahrer sagt weiter, er habe sich beleidigt gefühlt und den anderen Wagen daraufhin "blockiert". Man sei ausgestiegen und habe das Kennzeichen fotografiert. Daniele C. habe sie beleidigt und mehrfach abwechselnd mit der linken und der rechten Hand den Mittelfinger gehoben. Ob das an der Ampel auch ein Zeigefinger gewesen sein könnte, fragt Amtsrichter Martin Schellhase. "Nein", sagt der Fahrer bestimmt. Und sie hätten ihrerseits Daniele C. nicht beleidigt. "Wir sind Waffenträger. Wenn wir Straftaten verüben, ist die Waffe weg - und der Job."

"Für mich ist die Sache klar", sagt der Staatsanwalt. Er rät Daniele C., den Einspruch zurückzunehmen, "die 60 Tagessätze sind noch milde". Bei einer Verurteilung könnte auch ein höherer Satz herauskommen, "da geht es auch um den nächsten Eintrag im Führungszeugnis". Der Verteidiger des Angeklagten, Thomas Fatscher, sieht von Seiten der Geldtransporter-Fahrer eine Nötigung. "Normal steigt man nicht aus. Es ist nichts passiert, man hätte auch locker weiterfahren können." Und Daniele C. ist sich sicher, dass die beiden ihre Aussagen abgestimmt hätten. "Ich akzeptiere das nicht."

Da noch eine weitere Zeugin gehört werden soll, wird die Sitzung auf Mitte September vertagt. Daniele C. will sich überlegen, seinerseits die andere Seite anzuzeigen wegen Beleidigung und Nötigung. "Für das aktuelle Verfahren", sagt Richter Schellhase, sei dies aber "unerheblich".

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusExklusivVorwurf der Steuerhinterziehung
:Alfons Schuhbeck muss von Oktober an vor Gericht

Der Starkoch soll Millionen am Fiskus vorbeigeschleust haben. Der Prozess dürfte deutlich länger dauern als jener gegen Uli Hoeneß - das zeigt, wie kompliziert die Sache ist. Am Ende könnte dem Gastronomen eine Gefängnisstrafe drohen.

Von Klaus Ott

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: