Musik:Wenn die Sumpfkatzen swingen

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Anja Baldauf alias Zydeco-Annie, Bassist Dennis Wendel und Helt Oncale (v.li.) haben sich der schwungvollen Tanzmusik aus Louisiana verschrieben. (Foto: Nila Thiel)

Zydeco Annie und ihre Band entführen ihr Publikum musikalisch nach Louisiana und verwandeln den Gilchinger Rathaussaal in einen Tanzboden

Von Armin Greune, Gilching

Der Zydeco ist eine sehr eigenständige Abart des Südstaatenblues: Meist gibt das Akkordeon die Melodie und den überwiegend flotten Rhythmus vor. Begleitet wird es von einem partiell exotischen Instrumentarium, in dem Triangel und Frottoir - eine Art Waschbrett - nicht nur Nebenrollen spielen. Was aus US-amerikanischer Sicht auch exotisch wirkt, ist der immer leicht schräge Gesang, der noch dazu oft in einer Fremdsprache vorgetragen wird. Schließlich kommt diese Musik aus den Sümpfen Louisianas, wo im Südwesten noch das Cajun gepflegt wird, eine Variante des Französischen, die klingt, als spräche man dessen Worte texanisch mit Kaugummi im Mund aus.

Auch die Bandleaderin, die mit ihren Swamp Cats in Gilching Station macht, stammt aus dem Südwesten eines Bundesstaats, wenn auch aus Bayern. Wer als fesches Allgäuer Mädle diese Musik in den Vornamen aufnimmt, hängt die Messlatte schon hoch. Im Fall von Anja Baldauf alias Zydeco-Annie wird sie freilich locker gemeistert, selbst wenn ihre Heimat nicht die Bayous, sondern "die Sümpfe rund um den Bodensee" sind, wie sie lachend anmerkt. Aber auch dort kann einem das Akkordeon in die Wiege gelegt werden: Bei ihr begann die Liebe zum Instrument mit bayrischer Stubenmusik, auf Jugendorchester folgte ein klassisches Studium. Als Studentin tourte Annie mit einem Tango-Ensemble durch die Welt und entdeckte dabei in Louisiana ihr Herz für den Zydeco, der vor gut 100 Jahren aus der Fusion von Cajun-Folklore mit afroamerikanischen Einflüssen entstand.

Zur akademischen Ausbildung kommt eine unbändige Freude am Spiel: Man sieht Annie fast immer lächelnd oder lachend auf der Bühne, ihre charmante Moderation nimmt auch das Gilchinger Publikum für sie ein. Kabarettistisches Talent hat sie auch, wie sie etwa beim Thema Corona unter Beweis stellt: "Drei Wochen war's okay ... (längere Kunstpause). Ich hab' viel aufgeräumt und gestaunt, wie groß eine Garage sein kann." Aber selbst CD-Aufnahmen können sie und die vier Männer in ihrer Truppe nicht dauernd zufriedenstellen. Nein, die Sumpfkatzen sind in erster Linie eine Live-Band, die ohne die Resonanz des Publikums an Langeweile einzugehen droht. "Wenn wir nicht zu Euch dürfen, werden wir ganz gaga im Kopf", erklärt Annie zu einem in der Pandemie entstandenen Song, zu dem die Vokabel "Zydeco" schier endlos aneinandergereiht wird.

Das Repertoire der Musiker besteht größtenteils aus Annies Eigenkompositionen, zu denen der gebürtige Elsässer Frederic Berger, Sänger und Diplom-Latin-Percussionist, die meist französischen Texte schreibt. Weiter stehen ihr auf der Bühne Ehemann und Schlagzeuger Stefan Baldauf sowie Bassist Dennis Wendel zur Seite; in Gilching war als erprobter Gastmusiker auch Helt Oncale dabei. Er hat seine Wurzeln in der Musikszene in New Orleans, spielt Fiddle oder Gitarre und beherrscht dabei alle Facetten vom sliden bis zum rasanten Upbeat-Duo mit Annies One-Row-Diatonischer. Sie nimmt außer ihren drei Akkordeons auch schon mal das Melodion zur Hand oder setzt sich bei langsameren Nummern an den Flügel.

Es ist aber vor allem der stampfende Rhythmus des Zydeco, der auch im voll besetzten Rathaussaal rasch die Funken aufs Publikum überspringen lässt. Was macht es da, dass auch mal ein Ton nicht genau getroffen wird oder Bergers exaltierter, bisweilen knödelnder Gesang und sein manieriertes Tänzeln auf der Bühne nicht Jedermanns Sache sind - an Triangel, Frottoir und Bluesharp weiß er alle zu begeistern. Zydeco sei "Tanz- und nicht Sitzmusik", sagt Annie, technische Perfektion oder Virtuosität sind eher nebensächlich. Seit nunmehr 18 Jahren ist die muntere Spaßtruppe an vielen Wochenenden unterwegs. Sie brachte nach Gilching eine Superstimmung mit und animierte selbst das zu großen Teilen schon ziemlich ergraute Publikum ansatzweise zum Tanz - oder wenigstens zum Mitswingen.

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