Kirchenwirt:Der Wirt fehlt noch

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Wörthsee feiert Richtfest für das neue Lokal, die angrenzenden Wohnhäuser sind bereits im Rohbau zu erkennen. Die Suche nach einem Pächter will die Gemeinde jetzt intensivieren.

Von Patrizia Steipe, Wörthsee

Feier in luftiger Höhe: Das Dach des Kirchenwirts ist fertig, für den Richtspruch nahm Zimmerermeister Simon Kahl seine Kollegen mit nach oben. (Foto: Nila Thiel)
(Foto: Nila Thiel)

Für den Richtspruch auf dem Dach des Kirchenwirts hatte Zimmerermeister und Hochbautechniker Simon Kahl seine Kollegen mit nach oben genommen. Zu neunt stießen sie am Dachfirst auf das Wohl aller am Bau Beteiligten an. Im Herbst 2023 werden sich die Zimmererleute den Umtrunk wohl schon ein paar Meter tiefer in der Gaststube genehmigen können.

Dort waren im entkernten Gebäude für das Richtfest provisorische Biertischgarnituren aufgestellt worden. Dabei konnten sich die Gäste einen Eindruck vom künftigen Lokal im ehemaligen Gasthaus Raabe machen, das im Inneren noch ausgebaut werden muss. Neben dem großen Gastraum mit der Theke wird es ein abgetrenntes Stüberl geben. An diesem Tag stand aber das neue Dach im Mittelpunkt.

"Sie haben uns viel Geld gespart", freute sich Wörthsees Bürgermeisterin Christel Muggenthal beim Richtfest. Das örtliche Unternehmen Holzbau Kahl hatte den alten Dachstuhl abgerissen und den neuen gezimmert. Bei einer ersten europaweiten Ausschreibung für den neuen Dachstuhl war in der Gemeinde nur eine einzige vollkommen überteuerte Bewerbung eingegangen. Das wäre unwirtschaftlich gewesen, deswegen habe die Verwaltung die Ausschreibung aufgehoben. Geradezu "bekniet" habe die Gemeinde daraufhin den örtlichen Zimmerermeister, bei der folgenden Ausschreibung mitzumachen. Sein Unternehmen, mit dem sich der 30-Jährige 2017 selbstständig gemacht hatte, hat dann auch den Zuschlag bekommen. "Jetzt habe ich eine Anfahrtszeit von lediglich fünf Minuten", freute sich Kahl. "Es ist ein Prestige- und Herzensprojekt", versicherte der Steinebacher, aber er gab auch zu bedenken: "Mit privaten Bauherren ist es um ein Vielfaches einfacher als mit einem kommunalen Auftraggeber".

Der bürokratische Aufwand sei enorm gewesen. Er habe sich mit seiner Firma geradezu "nackig" machen müssen. Für seinen ersten großen öffentlichen Auftrag hat er sich Unterstützung von der Zimmerei Thomas Maiwald geholt - ebenfalls ein Wörthseer Unternehmen. Mit den Arbeiten liegen sie im Zeitplan, obwohl es wegen Produktionsausfällen zu Lieferverzögerungen bei den Dachziegeln gekommen war. "Die sind derzeit auf dem Markt kaum zu bekommen", so Kahl.

Das Ensemble Martinskirche, Steinebacher Maibaum und Wirtshaus wird derzeit außerdem um zwei neue Wohngebäude hinter dem Gasthaus ergänzt. Da, wo jetzt ein riesiger Kran steht, soll der Innenhof mit einem Mini-Biergarten, neuen Kastanien und etwa 20 Sitzplätzen realisiert werden.

Die Mauern stehen schon: Neben dem Kirchenwirt entstehen Häuser mit 19 Wohnungen. (Foto: Nila Thiel)

Die angrenzenden Wohnhäuser sind im Rohbau bereits erkennbar. Dank Fertigbauweise konnten sie schnell aufgestellt werden. Es sollen 19 Wohnungen entstehen: von der Ein-Zimmer-Wohnung mit 30 Quadratmetern Fläche über Zwei- und Drei-Zimmerwohnungen bis zur Vier-Zimmer-Wohnung mit 115 Quadratmetern. Im Erdgeschoss der Neubauten wird es einen 100 Quadratmeter großen Bürgersaal sowie eine Ladenfläche geben, die bevorzugt an Einzelhandelsgeschäfte vermietet werden soll. "Wir haben schon eine lange Warteliste für die Wohnungen", erklärte Muggenthal. Die Gemeinde als Vermieterin werde die Mieter nach bestimmten Kriterien auswählen. Dazu gehören soziale Aspekte oder die Verbundenheit mit der Gemeinde. Vertreter von systemrelevanten Berufen wie Erzieher, Krankenpfleger oder Feuerwehrleute würden bevorzugt.

Einen Pächter für das Wirtshaus gibt es freilich noch nicht. Auf die Ausschreibung, die während der Corona-Zeit lief, gab es zwar Resonanz, aber Vertrag ist noch keiner abgeschlossen. Der Zeitpunkt während der Wirtshauskrise sei ungünstig gewesen. Jetzt soll nochmal nach einem Wirt gesucht werden, erklärt Muggenthal. Auf der Gemeindehomepage warb die Gemeinde für den Gastronomiebetrieb ohne Brauereibindung im Herzen Steinebachs. Im Obergeschoss könnte eine Personalwohnung angemietet werden. Die "Sockelpacht" wurde damals mit 2500 Euro veranschlagt, dazu komme noch Umsatzpacht. Bewerber mussten ein Gastronomiekonzept vorlegen. Das Wirtecasting im Gemeinderat wird von einer Jury vorbereitet, in der die Bürgermeisterin und Gemeinderäte sitzen. Insgesamt rechnet Muggenthal mit Projektkosten von etwa 18 Millionen Euro. Darin enthalten sind die etwa 2,3 Millionen Euro, die für den Grunderwerb angefallen waren.

Bei einem Tag der offenen Tür, der voraussichtlich im Herbst dieses Jahres stattfinden könnte, sollen bereits eine Musterwohnung und das Gasthaus besichtigt werden können. Dann wird es wohl noch etwa ein Jahr dauern, bis die Mieter einziehen können.

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