Hirsche am Wörthsee:Das letzte Röhren

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In der Brunft geben Hirsche röhrende Laute von sich. (Foto: Rainer Jensen/dpa)

Weil ihnen die Tiere zu laut sind, beschweren sich Nachbarn über einen Landwirt, der Rotwild züchtet. Darauf werden die Behörden tätig - und stellen noch andere Mängel fest. Nun mussten alle Hirsche erlegt werden.

Von Patrizia Steipe, Wörthsee

Für viele Spaziergänger war das Hirschgehege der Familie Sanktjohanser im Auinger Kiebitzmoos in der Nähe des Wörthsees ein Anziehungspunkt. Vor allem im Frühjahr, wenn die kleinen Hirschkälber auf den Wiesen umhertollten, war das Wildrudel eine oft besuchte Attraktion. Bis zu 27 Rothirsche haben dort zeitweise geäst - Karpatenhirsche, eine stattliche und große Hirschart. Also bestens geeignet für das "Rotwildfarming" von Landwirt Martin Sanktjohanser. Für das Fleisch aus dem Hofladen von seiner Frau Anita sind die Kunden von weither gekommen.

Doch seit Ende März ist das etwa drei Hektar große Gehege verwaist und "Wild aus Wörthsee" ist Vergangenheit. Das Landratsamt Starnberg hat die Haltung untersagt. Es habe massive Beschwerden gegen die Tiere gegeben, erklärt Behördensprecher Stefan Diebl. Zum Beispiel habe das laute Röhren der Hirsche während der etwa zweiwöchigen Brunftzeit die Leute gestört, andere kritisierten, dass die Tiere das Biotop schädigen würden. Daraufhin seien Veterinäramt, das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie die Untere Naturschutzbehörde tätig geworden und hätten das Gehege und die Lebensbedingungen der Tiere begutachtet, so Diebl.

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Alle drei Behörden seien zu dem Schluss gekommen, dass der Standort des Geheges für die Aufzucht von Rotwild ungeeignet sei und nicht den tierschutz- und naturschutzrechtlichen Vorgaben entspreche. Es würde kaum Schutz vor Regen oder sichtgeschützte Ablegeplätze für Kälber geben. Nach dem Regen sei der Boden "völlig aufgeweicht und nass", die Bäume und Büsche seien für die Fluchttiere nicht ausreichend gewesen. "Darüber hinaus sind weitere Schädigungen des dort befindlichen, gesetzlich geschützten Biotops unbedingt zu vermeiden", zitiert Behördensprecher Stefan Diebl.

Sanktjohanser habe zwar Vorschläge gemacht, wie die Situation verbessert werden könne. Er schlug vor, das Rudel zu verkleinern, das Gehege besser auszustatten und dann den Bestand beobachten zu lassen. Trotz mehrerer Gespräche und Angebote blieben die Behörden aber bei ihrem Veto. Alle gemachten Vorschläge hätten nicht zu eine Verbesserung der Situation für die Tiere und auch nicht für das Gebiet geführt, erklärt Diebl. Der Landwirt bekam die Auflage, das Gehege bis zum 31. März zu räumen.

Vor Kurzem sind die letzten Tiere geschlachtet worden

Schweren Herzens musste sich der Landwirt von seinem Hirschbestand trennen, denn alternative Einhegungsmöglichkeiten haben die Fachstellen nicht gefunden. Vor Kurzem sind die letzten Tiere geschlachtet worden. Damit ist das vor vier Jahren begonnene Projekt "Wildfarming" gescheitert. Auf der Homepage von "Anitas Hofladen" heißt es noch: "Mit einer artgerechten Haltung garantieren wir höchste Qualität. Unsere Wildspezialitäten können Sie in unserem Laden und im Hofladenautomaten erwerben." Doch das ist jetzt vorbei.

Dabei sollte eigentlich der Hof, auf dem die Familie seit 1888 bereits in fünfter Generation lebt, ganz auf Wildtierhaltung umgebaut werden. Hirsche können ohne viel Aufwand gehalten werden, bekommen kein Mastfutter, brauchen keine Medikamente und sie tragen zu einer extensiven Landwirtschaft bei, da die Wiesen nicht gedüngt werden müssen. Die Tiere leben im Freien, sie müssten weder bei Geburten unterstützt noch ihr Stall ausgemistet werden. Und das naturbelassene Wildfleisch vom Rotwild, das etwas größer als Damwild ist, gilt als wohlschmeckend und gesund, fett- und cholesterinarm.

Vor vier Jahren hat Martin Sanktjohanser, hier bei Zaunarbeiten an seinem Rotwildgehege, mit dem Wildfarming begonnen. (Foto: Arlet Ulfers)

"Für Sie ist es wirklich nicht einfach", bedauerte der Starnberger Landrat Stefan Frey die Situation in einer E-Mail an den Landwirt. "Auch ich gehöre zu denjenigen, die Ihnen wirklich eine erfolgreiche Aufzucht gönnen würden", betonte er. Doch die einhellig ablehnende Bewertung aller - auch der landwirtschaftlichen Fachstelle - habe keinen Spielraum zugelassen. Die Entscheidungen seien "nach wiederholten, intensiven Beratungen getroffen worden", bei denen auch die wirtschaftlichen Belange des Landwirts in Betrachtung gezogen worden seien, versicherte Frey. Auf alle Fälle hätten die Beschwerden von "Neidern" und "Nachbarn" bei der Entscheidung keine Rolle gespielt. Frey wünscht der Familie in seinem Schreiben, "dass Sie den Weg für einen Umbau Ihrer Landwirtschaft erfolgreich fortsetzen können".

Wie es weitergeht, das steht noch nicht fest. Derzeit gibt es auf dem Hof Milchvieh und Hühner, im Hofladen werden Milch, Eier, aber auch Honig, Marmeladen, Säfte und selbst gemachte Nudeln verkauft. Im Gegensatz zur Wildhaltung ist die Haltung von Milchvieh aber zeitintensiv und mit einer höheren Umweltbelastung verbunden, nicht zuletzt durch die entstehende Gülle.

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