Wirtschaft im Landkreis Starnberg:"Wir mussten Robert Habeck versprechen, nicht an Google zu verkaufen"

Lesezeit: 4 min

Benedict Padberg und seine Friendly Captcha GmbH aus Wörthsee haben den Deutschen Gründerpreis bekommen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Friendly Captcha GmbH aus Wörthsee hat den Deutschen Gründerpreis gewonnen. Im Gespräch erklärt Gründer Benedict Padberg seine Idee von Sicherheit im Internet - und wie er gegen globale Tech-Konzerne wie Google bestehen will.

Interview von Tim Graser, Wörthsee

Benedict Padberg bietet mit seinem Start-Up "Friendly Captcha GmbH" Websites einen Schutz vor Cyberangriffen im Internet. Zu seinen Kunden gehören unter anderem Porsche, Zalando und die Europäische Union. Nun hat der 28-jährige Jungunternehmer aus Gilching zusammen mit seinem Geschäftspartner Guido Zuidhof den deutschen Gründerpreis gewonnen. Im Gespräch erzählt Padberg von Inklusion im Internet, Gesprächen mit dem Wirtschaftsminister und warum man Google nicht das Feld überlassen darf.

SZ: Herr Padberg, auf dem Gewinnerfoto des deutschen Gründerpreises stehen Sie auf der Bühne neben Robert Habeck. Wie fühlt man sich da?

Benedict Padberg: Ich musste in dem Moment erstmal realisieren: Oh, wir sind die Gewinner! Das war ein Emotionsbad der Gefühle. Als wir aufgerufen wurden, ging der Puls erst mal ordentlich nach oben, das war schon krass.

Newsletter abonnieren
:SZ Gerne draußen!

Land und Leute rund um München erkunden: Jeden Donnerstag mit den besten Freizeittipps fürs Wochenende. Kostenlos anmelden.

Und Robert Habeck?

Wir haben im Anschluss kurz mit dem Bundeswirtschaftsminister sprechen können. Auch wenn es politisch noch einiges zu tun gibt, beispielsweise bürokratische Hürden für Unternehmen abzubauen, kaufe ich ihm ab, dass er sich ernsthaft für diese Startups interessiert und etwas voranbringen will.

Gewonnen haben Sie in der Kategorie "Start-Up" mit ihrem noch jungen Unternehmen "Friendly Captcha". Worum geht es dabei?

Captcha steht für "Completely Automated Public Turing Test to tell Computers and Humans Apart". Das ist also ein Test, der Computer und Mensch voneinander unterscheiden soll. Im Grunde geht es um Cybersicherheit im Netz. Jeder kennt die "Sind Sie ein Roboter?"-Abfrage von verschiedenen Websites. Oft gibt es noch ein Bilderrätsel, wo man dann zum Beispiel Straßen mit Zebrastreifen anklicken oder einen verschnörkelten Zahlencode ablesen und eingeben muss. Einen solchen Test haben wir auch entwickelt, nur ohne Bilder- oder Zahlenrätsel.

Wie funktioniert das dann?

Es gibt mehrere Schutzlevel, die man passieren muss. Zuerst checken wir verschiedene Risikosignale, die uns Hinweise darauf geben, ob wir es mit einem echten Menschen zu tun haben - zum Beispiel, wie sich der Mauscursor bewegt. Danach stellen wir - und das ist das Besondere - nicht dem Nutzer, sondern dem Computer ein unsichtbares Rätsel. Im Prinzip ist das eine Rechenaufgabe, die im Hintergrund abläuft und entsprechend viel Rechenleistung in Anspruch nimmt. Der Nutzer bekommt das überhaupt nicht mit. Wenn wir im ersten Schritt Signale registrieren, die nahelegen, dass es sich nicht um einen Menschen handelt, skalieren wir die notwendige Rechenleistung entsprechend nach oben.

Und was bringt es einer Website, wenn sie weiß, dass ich ein Mensch bin?

Heutzutage muss sich jeder Betreiber einer Website mit sehr vielen Cybersecurity-Bedrohungen auseinandersetzen. Ganz viele dieser Angriffe werden durch automatisierte Software ausgeführt, sogenannte "Bots". Wenn man sich davor schützen will, brauchst du ein System, das diese Bots blockiert. Ein klassisches Beispiel sind Fake-Registrierungen: In der Regel setzt sich da ja nicht eine Person hin und erstellt auf einer Website hunderte oder tausende von Accounts. Das macht stattdessen ein Programm. Mit unserem Service kann man sich gegen solche Programme verteidigen.

Man spart sich also das Bilderrätsel. Aber ist das nicht eine Kleinigkeit?

Für manche vielleicht schon, für blinde oder ältere Menschen mit Sehschwäche macht es hingegen einen enormen Unterschied. Die tun sich unglaublich schwer, so ein Bilderrätsel zu lösen und werden an vielen Stellen aktuell ausgeschlossen. In Zukunft wird alles online ablaufen: Shopping, Versicherungsmeldungen, der digitale Bürgerservice bei Ämtern. Das System mit den Bilderrätseln, das es heute gibt, ist aber eben nicht zugänglich für alle Menschen. Und es gibt noch ein Problem: Auch die Bilderkennung mittels Künstlicher Intelligenz gewinnt an Bedeutung. Zwar setzen die Bilderrätsel immer noch eine Hürde, weil eine KI die entsprechenden Ressourcen braucht, um solche Rätsel zu lösen. Aber die KI-Systeme werden stetig besser.

Mit ihrem Test sind Sie weltweit einer der Marktführer neben "reCaptcha", dem Service von Google. Legen Sie sich mit den Großen an?

Gegen einen Konzern wie Google anzutreten, der davon lebt, Daten zu sammeln und auszuwerten, ist eine Challenge. Google verlangt für seinen Service bis zu einem bestimmten Volumen auch kein Geld. Das hat einen Grund: Google verdient an den Daten. Um eine Risikoeinschätzung vornehmen zu können, ob es sich um einen Computer oder einen Menschen handelt, muss man Nutzer- und Verhaltensdaten sammeln. Diese Daten braucht Google genauso wie wir. Der Unterschied ist: Wir speichern nur das ab, was wir funktional brauchen. Personenbezogene Daten werden anonymisiert.

Und Google?

Bei "Google-reCaptcha" wird eine Vielzahl von Nutzerdaten im Hintergrund gesammelt. Man weiß gar nicht, welche Daten da alle erhoben werden und wie die weitergenutzt werden. Neben dem Schutz, den Google anbietet, ist das Kerngeschäft der Verkauf von Werbung. Bei einer Google-Suche, also direkt auf der Website von Google, erhalten sie meine Verhaltensdaten im Austausch für ein gutes Suchergebnis. Das ist der Deal. Was ich aber nicht in Ordnung finde, ist, wenn ein Service wie Google-reCaptcha auf anderen Websites eingebunden wird und ich als Nutzer gar nicht weiß, dass gerade massenhaft Daten von mir eingesammelt werden. Und genau das muss ich bei allen Websites in Kauf nehmen, die das noch nicht durch eine datenschutzfreundliche Lösung wie unsere ersetzt haben.

Die Datenkrake Google also. Ist es möglich, im Wettbewerb gegen diesen riesigen Konzern zu bestehen?

Das ist es. Allein im vergangenen Jahr wurde unser Service bereits von etwa 52 Million Menschen benutzt, in Zukunft werden es wohl noch mehr. Der Gründerpreis hat uns da jetzt auch noch mal bestätigt, dass unser Weg der richtige ist. Cybersicherheit ist ein relevantes Thema. Mir persönlich hat es als Unternehmer noch einmal gezeigt: Wenn es ein bisher ungelöstes Problem gibt, dann lohnt es sich auch, das anzupacken. In unserem Fall war der Datenschutz und die Barrierefreiheit im Internet dieses ungelöste Problem. Offensichtlich ist auch Robert Habeck der gleichen Meinung. Deswegen hat er uns gesagt: "Ihr müsst mir eins versprechen: Verkauft euer Unternehmen nicht an Google."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusGleichberechtigung im öffentlichen Raum
:Warum kaum Straßen nach Frauen benannt sind

Von hunderten Namen im Landkreis sind nur 17 weiblich. Das hat verschiedene Gründe. Die Grünen fordern auch hier Gendergerechtigkeit - doch das dauert.

Von Madeleine Rieger

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: