Wohnungsbau:Sozialverband will in Berufung gehen

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Nach der Klatsche vor dem Landgericht kritisiert der Anwalt das Urteil scharf. Die Verhandlung um das Weßlinger Mehrfamilienhaus soll fortgesetzt werden.

Von Peter Haacke, Starnberg

Die gerichtliche Auseinandersetzung zwischen dem Verband Wohnen im Landkreis Starnberg und einem Grundstücksbesitzer in Weßling geht aller Voraussicht nach in die nächste Instanz: Das Landgericht München II hatte den Verband Ende März dazu verurteilt, die Außenwand einer Tiefgarage mit 69 Bohrpfählen auf einer Länge von 21 Metern zu beseitigen, weil sie sich zum Teil auf einem Nachbargrundstück an der Herbststraße in Weßling befinden soll. Der Starnberger Rechtsanwalt August Mehr, dem das 65-seitige Urteil als Prozessbevollmächtigter erst am Montag zugegangen ist, will dem beklagten Verband dringend eine Berufungsverhandlung am Oberlandesgericht empfehlen, um damit "das Urteil in zweiter Instanz aus der Welt zu schaffen".

In dem Streit, der sich bereits über vier Jahre zieht, geht es um ein Wohnprojekt mit 15 Wohneinheiten, bei dem die Grundstücksgrenzen angeblich nicht eingehalten wurden. Mit Urteil vom 28. März entschied das Gericht, dass insgesamt 69 Bohrpfähle, die mit etwa sieben Metern Länge im Boden stecken, sowie die Außenwand der Tiefgarage auf einer Fläche von 15 Quadratmetern zu entfernen sind. Der Vorsitzende Richter Christian Seebeck hatte in seinem Urteil eine Verletzung des Eigentumsrechts der Nachbarn geltend gemacht. Beteiligte Baufirmen hätten zudem schon im Oktober 2014 darauf hingewiesen, dass ein größerer Abstand zum Nachbarn hätte eingehalten werden müssen.

Sozialer Wohnungsbau
:Klatsche für den Verband Wohnen

Nach einem vierjährigen Prozess verlangt das Landgericht den Rückbau einer Tiefgaragenwand in Weßling. Auch beim sozialen Wohnungsbau seien die Regeln einzuhalten.

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Für den Juristen Mehr ist das Urteil des Landesgerichtes nicht nachvollziehbar: "Wir haben nicht damit gerechnet." Der Rechtsanwalt ist der Ansicht, dass "der Richter mit Bauangelegenheiten offensichtlich nicht vertraut ist". Mehr: "Möglicherweise hat er etwas nicht verstanden." Er hatte - ebenso wie der Verband oder Weßlings Bürgermeister Michael Muther - mit einer Klageabweisung gerechnet. Zudem sei die Beweisaufnahme durch einen Sachverständigen nur oberflächlich erfolgt: Bestenfalls die Kontur von acht oder neun Bohrpfählen sei auf einer Fläche von 0,5 Quadratmetern zu erkennen; der Gutachter aber habe daraufhin Rückschlüsse auf den gesamten Untergrund gezogen.

Ohnehin habe der Kläger "von Beginn an versucht, die Beteiligten strafrechtlich verfolgen zu lassen", um den Bau des soziale Wohnprojektes womöglich zu verhindern. "Ständige Anzeigen", so Mehr, seien jedenfalls die "Begleitmusik der Angelegenheit" gewesen. Der Verband Wohnen aber habe weder straf- noch zivilrechtlich irgendetwas falsch gemacht. Der verantwortliche Architekt habe stets darauf geachtet, dass die Grundstücksgrenzen zum Nachbarn eingehalten wurden. Unbegreiflich ist Mehr daher auch die Feststellung von Richter Seebeck, dass der Technische Leiter als persönlicher Vertreter des Verbands die Unwahrheit gesagt haben soll. Die Staatsanwaltschaft hat in diesem Zusammenhang zwei Verfahren eingestellt.

Als aufwendig könnte sich in einem weiteren Prozess die Beweisführung erweisen: "Feststellen könnte man es nur, wenn man die ganze Wand aufgräbt", sagte Mehr. Derzeit fehlt dem Rechtsanwalt die Fantasie, dass das Projekt zurückgebaut wird, was voraussichtlich rund 500 000 Euro kosten würde. Überdies habe der Verband dem Nachbarn Kompromissbereitschaft signalisiert: Im Rahmen eines Vergleichs seien 5000 Euro angeboten worden, der Kläger aber habe 70 000 Euro gefordert. In das Verfahren sind zudem die bauausführende Firma, ein Subunternehmer sowie der bauleitende Architekt involviert, denen - so die juristische Bezeichnung - der Streit verkündet wurde.

Mehr verwahrt sich gegen den vermittelten Eindruck, der Verband Wohnen mit seinen 13 Mitgliedskommunen und dem Landkreis sei "eine kriminelle Vereinigung". Bei allen bislang realisierten Bauvorhaben seien alle rechtlichen Belange stets berücksichtigt worden. Die vorliegenden Grundlagen "rechtfertigen derzeit nicht mal im Ansatz eine Verurteilung", sagt Mehr, die Vorwürfe seien nicht haltbar. Sollte der Verband Wohnen innerhalb der nächsten vier Wochen Berufung einlegen, geht Mehr jedenfalls "mit Gelassenheit in die nächste Instanz".

© SZ vom 16.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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