Wirtschaft im Landkreis Starnberg:Wenn der Roboter beim Tragen hilft

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"Das Herz des Roboters sitzt in den Gelenken", erklärt der Weßlinger Erfinder Norbert Sporer. (Foto: Arlet Ulfers)

Die Firma Sensodrive in Weßling bringt Maschinen bei, mit Menschen zusammenzuarbeiten. Diese Cobots müssen notfalls ihre Bewegungen ganz schnell stoppen können.

Von Patrizia Steipe, Weßling

Der Showroom der Firma Sensodrive in Weßling mit all seinen Prototypen erinnert ein wenig an die Erfinderwerkstatt von Daniel Düsentrieb. An der Wand steht ein Gestell, das eine Art Superman-Anzug darstellt, verschiedene Apparaturen, die für medizinische Eingriffe, für die Industrie und die Automobilentwicklung geeignet sind, verteilen sich im Raum. Auf dem Gang bewegt sich der Arm einer Schüttelmaschine.

Mit der Comic-Figur aus den Micky-Maus-Heften hat Norbert Sporer mehr Gemeinsamkeiten als die Berufsbezeichung Ingenieur. Den kleinen Roboter mit dem Glühbirnenkopf, genannt Helferlein, gibt es bei Sporer irgendwie auch. Denn er beschäftigt sich mit Leichtbaurobotern, Maschinen, die nicht hinter einer Glasscheibe tätig sind, sondern als Assistenten des Menschen agieren. Dafür haben sie den Namen Cobot (collaboration robot) bekommen.

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Cobots müssen abrupt stoppen können, wenn sich beispielsweise ein Mensch unkoordiniert bewegt. Dafür hat Sporer mit seinem Team Drehmomentsensoren und -antriebe mit einer hohen Messgenauigkeit entwickelt, die Schwingungen dämpfen, Gewichte kompensieren und Kollisionen erkennen können. Dabei sieht sich Sporer nicht als Erfinder von Robotern. Sein Metier sind die Gelenke des Roboters. Sie sind dessen wichtigste Teile oder wie es Sporer formuliert: "Das Herz des Roboters sitzt in den Gelenken".

Sporer erklärt dies gerne mit einem Plastiklineal, das er über eine Tischplatte legt, nach unten drückt und loslässt. Das Lineal schwingt noch eine Zeitlang nach. "Nachschwingungen sind aber beim Roboter nicht tolerierbar. Die Mechanik muss sofort stoppen", erklärt der Experte. Wie könnte beispielsweise ein Arzt operieren, wenn das robotische Operationsmikroskop nach dem Einstellen auf den Biopsiekanal eines Patienten hin- und herschwingt? Die Drehmomentsensoren können dies ausregeln. Außerdem kann ein viele Kilogramm schweres Mikroskop dank des Cobots mit der Fingerspitze bewegt werden.

In der Endoskopie können Kapseln mit einer Fernsteuerung eingesetzt werden. (Foto: Arlet Ulfers)
Eine Platine des Senso-Rob. (Foto: Arlet Ulfers)

Neueste Erfindung sind die laut Sporer weltweit ersten einbaufertigen Komplettantriebe, genannt "Senso-Joints". Alle Komponenten vom Motor über die Drehmomentsensoren bis zum Getriebe sind in einem Zylinder aus leichtem Material vereint. Das Antriebsmodul lässt sich gleich als Roboterachse verbauen. "Deutsche Ingenieurskunst", schwärmt Sporer, "hier sind wir meiner Meinung nach immer noch führend".

Vom nächsten Jahr an werden die letzten internationalen Sicherheitszertifizierungen durch sein. Genau dies sei der Vorteil. Mit den einbaufertigen Plug-and-play-Antrieben könne jedes Unternehmen in kürzester Zeit Cobots bauen, ohne jahrelange Entwicklungs- und Zertifizierungszeiten mit all den Tests und Nachweisen aufwenden zu müssen. Die Entwickler in der Industrie-, Medizin- oder Automobilrobotik bräuchten lediglich sechs solcher Komponenten, die es in fünf Größen gibt, um sich ihren auf ihre jeweiligen Bedürfnisse maßgeschneiderten eigenen Roboter zu konfigurieren. Die Struktur, quasi das Gerippe, lässt man von einer künstlichen Intelligenz optimieren und dann im 3D-Drucker anfertigen. Lediglich die Endabnahme des Geräts durch eine Prüfstelle wäre noch nötig.

Endoskopie-Kapseln können mit Kamera und Magnet durch den Magen navigieren

"Discover the future of robotics", steht auf dem Infoscreen im Showroom. Hier sind ein paar Prototypen ausgestellt, die nur darauf warten, von der Industrie aufgegriffen zu werden. Etwa das Exoskelett. Das ist eine Art Gestell, in die ein Mensch hineinschlüpft, um schwere Lasten ohne große Kraftanstrengung tragen zu können. Als Anwendung schweben Sporer Paketfahrer vor.

Ein anderes Forschungsprojekt beschäftigt sich mit Endoskopie-Kapseln. Bei einer Magenspiegelung müsse man lediglich die mit einer Kamera versehenen Kapseln schlucken. Dank Magneten und Kamera könnten die Kapseln extern gesteuert werden, um alle Bereiche im Magen zu untersuchen. In einer Ecke steht ein Fahrsimulator, in dem man lenken, bremsen und Gänge schalten kann. Entwickler können damit das Fahrverhalten simulieren. Allerdings sind diese Werte reine Software. Im Simulator stecken Drehmomentsensoren und kein echtes Getriebe, Federn oder Dämpfer, obwohl es sich so anfühlt.

Per Knopfdruck kann Norbert Sporer das Fahrverhalten in einem Auto simulieren. (Foto: Arlet Ulfers)

Für Norbert Sporer war immer schon klar, dass er einmal Erfinder werden möchte. Mit acht Jahren habe er dies sogar in einem Freundebuch als Berufswunsch angegeben. Damals habe er aus alten Geräten die Motoren ausgebaut und an den Trafo einer Modelleisenbahn gehängt. "Die Antriebstechnik von Motoren hat mich fasziniert". Folgerichtig setzte er seinem Ingenieursstudium an der Fachhochschule noch das Studium der Elektrotechnik an der Technischen Universität München drauf. Schwerpunkt war die Steuerungs- und Regelungstechnik. "Robotik gab es damals noch nicht", erklärt er. 1994 stieg er beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) als Leiter im Team der Leichtbauroboter-Entwicklung ein. Speziell entwickelte Sensoren sorgten für Präzision und Sensitivität bei der Fernsteuerung über tausende Kilometer Entfernung.

Als er sich vor 20 Jahren im Argelsrieder Feld in Weßling selbstständig machte, um die von ihm mitentwickelte Raumfahrt-Technologie in die Industrie zu bringen, durfte er nicht nur einen der Leichtbauroboter aus den Anfangsjahren "aus sentimentalen Gründen" mitnehmen, wie er sagt, sondern auch die Technik. Nach 20 Jahren hat Sensodrive nun 50 Mitarbeiter. Mittlerweile seien weltweit mehr als 100 000 der patentierten Drehmomentsensoren in Cobots und anderen Robotik-Lösungen verbaut. "Wir setzen auf Wachstum", sagt Erfinder Sporer.

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