Steigende Kita-Gebühren:"Für einige ist das existenzbedrohend"

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Die Aufregung bei Kita-Eltern in Weßling ist groß - auch im Kindergarten "Die kleinen Strolche". (Foto: Nila Thiel)

Um die Finanzierungslücke zu verringern, will die Gemeinde Weßling die Betreuungssätze in ihren Kitas mehr als verdoppeln. Eltern befürchten, dass Familien dadurch in existenzielle Not geraten könnten.

Von Patrizia Steipe, Weßling

Die Emotionen kochten hoch, "es wurde richtig laut", berichtet ein Vater, dessen Kind im Herbst in den Kindergarten gehen soll. "Eltern schrien." Bei einer Versammlung mit Elternbeiräten und Eltern haben Weßlings Bürgermeister Michael Sturm und Michael Klinke, der in der Gemeinde für die Kinderbetreuung zuständig ist, ihre Ideen für eine "Umstrukturierung der Gebührenlandschaft für den Besuch von KinderbetreuungseinrichHtungen in der Gemeinde Weßling", vorgestellt, wie es im Amtsdeutsch hieß. Dahinter verbirgt sich eine drastische Erhöhung der Beiträge.

So sollen Eltern nach Abzug des bayerischen Fördergelds in Höhe von 100 Euro beispielsweise für einen Ganztagsplatz (sieben bis acht Stunden) statt wie bisher 80 Euro monatlich künftig 190 Euro zahlen. Die Erhöhung soll laut dem Plan der Verwaltung in zwei Stufen angehoben werden. Für das Betreuungsjahr 2025/26 drohe aber eine nochmalige Erhöhung um denselben Betrag, kritisieren die Eltern, die sich in einer Interessengemeinschaft zusammengefunden haben. In einem offenen Brief rechnet die Interessengruppe Kinderbetreuung vor: "Bei drei Kindern, so plant wohl die Gemeinde, kommen auf junge Familien somit Mehrkosten in Höhe von knapp 600 Euro zu, pro Monat! Wir denken, es wird klar, warum sich hier berechtigter Widerstand formiert."

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Besonders teuer würde es, wenn es noch ein Krippenkind in der Familie gibt. Denn hier kostet ein Ganztagsplatz bereits mehr als 500 Euro monatlich. Im Gegensatz zum Kindergarten gibt es keine Fördergelder für Eltern. Bitter wäre die Erhöhung auch für kinderreiche Familien, denn der Geschwisterrabatt beträgt lediglich zehn Prozent. Bei drei Kindern in Krippe, Kindergarten oder Mittagsbetreuung können Eltern zusätzlich zu Spiel- und Essensgeld dann schon mit etwa 1000 Euro für die Ganztagsbetreuung rechnen.

"Ich war schockiert. Das ist absurd teuer und ein krasser Sprung nach oben", so ein Vater, der nicht mit seinem Namen genannt werden will, weil er Nachteile bei der Platzvergabe für sein Kind befürchtet. Teilweise müssten Eltern vom nächsten Kindergartenjahr an mit einer Vervierfachung der Beiträge rechnen. "Für einige ist das existenzbedrohend", erklärt der Vater. "Schlimmstenfalls müssen sie ihren Job kündigen, weil sie sich die Kita nicht mehr leisten können. Da arbeitet dann einer fast nur für die Kinderbetreuung", spitzt es der Weßlinger zu. Er befürchtet, dass die Kostensteigerung viele Familien dazu veranlassen werde, ihre Kleinkinder daheim zu betreuen. Dabei sei die Vorschulerziehung eine wichtige Grundlage für die Schule.

Kindertagesstätten und damit Plätze gibt es in der Stadt Freising genügend - aber die Erzieherinnen und Erzieher, um die Kinder zu betreuen, fehlen. (Foto: Monika Skolimowska/dpa)

Michael Klinke kann die Sorgen der Eltern verstehen. "Wir müssen aber das Defizit unbedingt reduzieren", sagt er. Insgesamt würden die Kitas derzeit 1,6 Millionen Euro Defizit im Jahr machen. Abzüglich der Zuschüsse und Ausgleiche blieben immer noch mehr als eine halbe Million Euro, die die Gemeinde trage. "Das Gemeindesäckel ist aktuell nahezu leer", hatte Sturm bereits bei der Bürgerversammlung vergangenen Herbst betont. Die Pro-Kopf-Verschuldung ist fast dreimal so hoch wie im Landesdurchschnitt vergleichbarer Kommunen. Die neue Grundschule und weitere Investitionen müssen mit hohen Krediten gestemmt werden.

Etwa 20 Prozent aller Ausgaben der Gemeinde entfallen auf die Kinderbetreuung. 2023 standen hier den Einnahmen von mehr als zwei Millionen Euro Ausgaben in Höhe von 3,7 Millionen entgegen. Damit werden Personalkosten, Materialien, Verpflegung, Defizitübernahmen, Sach- und andere Investitionen bezahlt. Tendenz steigend, denn "über die Jahre sind es in den Einrichtungen mehr Kinder geworden", erklärt Sturm. Derzeit werden etwa 330 Kinder in den sechs Kitas und in der Mittagsbetreuung von 55 Erzieherinnen und anderen pädagogischen Kräften betreut. Damit erhöhen sich zwar die Einnahmen durch die Elternbeiträge, aber eben auch die Ausgaben.

Die Kommune fordert mehr Unterstützung vom Staat

Die letzte Tarifverhandlung bei den Erzieherinnen und Erziehern hat der Gemeinde eine Steigerung der Personalkosten von mehr als 100 000 Euro im Jahr beschert. "Wir haben die Aufwände zum Teil auf die Eltern umgelegt", berichtet Sturm. Das war 2023. Allerdings hätte die Gemeinde mit der damaligen Gebührenerhöhung "nicht mal die Gehaltserhöhung abdecken können", bedauert Sturm. Dabei versichert er, dass er die steigenden Löhne durchaus befürworte. So sieht es auch Klinke: "Sehr, sehr richtig" finde er es, dass die Gewerkschaft mehr Gehalt für die wertvolle Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher einfordere. Allerdings können die Kommunen die zusätzlichen Kosten nicht allein stemmen. Hier müsse der Staat unbedingt in die Verantwortung genommen werden. "Es braucht viel mehr Unterstützung von der Regierung", fordert Klinke.

Neben der Erhöhung gibt es auch Überlegungen, die schwach besuchten Randzeiten in der Früh und am späten Nachmittag in den Kitas neu zu bewerten, die Buchungszeiten zu optimieren und die jeweiligen Kitas individuell zu betrachten und dann gegebenenfalls zu differenzieren, und zwar am liebsten gemeinsam mit den Kitas, die in Weßling mit einer Ausnahme alle in der Trägerschaft der Gemeinde stehen.

Bürgermeister Michael Sturm sagt, die Gemeinde sei seit Monaten in Verhandlungen mit den Kitas. (Foto: Arlet Ulfers)

Seit Monaten sei man mit den Kitas am Verhandeln, um eine Lösung zu finden, sagt Bürgermeister Sturm. Mehrfach seien die Elternbeiräte und Kitas gebeten worden, konstruktive Vorschläge zu machen. "Von einem Kindergarten bekamen wir dann als Antwort, dass die Erhöhung null Euro betragen soll", ärgert sich Sturm. "Das ist keine Grundlage für Gespräche."

Das sieht die Interessengruppe anders. "Wir sind durchaus auch bereit, vernünftige Beitragserhöhungen über mehrere Jahre verteilt mitzutragen. Aber die aktuell im Raum stehenden Zahlen sind vollkommen indiskutabel und stellen aus unserer Sicht einen nicht hinnehmbaren Eingriff in die finanzielle Planung und Existenz der Familien dar", heißt es in dem Schreiben. Doch durch den "spärlichen Informationsfluss und die gerade zu diesem Thema erstaunlich kurzfristig anberaumten Sitzungen wird es uns als Elternschaft sehr schwer gemacht, auf die sehr schnellen Entscheidungen des Gemeinderats geschlossen und angemessen zu reagieren".

Was die Kostenhistorie betrifft, so haben die Eltern für einen ganztägigen Kindergartenplatz (sieben bis acht Stunden) 2013 im Monat 117 Euro bezahlt. 2023 waren es zwar 180 Euro, aber dank der bayerischen Förderung blieben nur 80 Euro. Auch, wenn jetzt die Vorschläge für die neuen Beträge auf den ersten Blick hoch erscheinen, seien sie im Vergleich zu anderen Gemeinden keinesfalls teurer, versichert Klinke. Außerdem könnten Geringverdiener einen Antrag auf Übernahme der Betreuungskosten stellen.

Das letzte Wort hat nun der Gemeinderat. Die Gebührenerhöhung soll am Dienstag, 5. März, um 19.30 Uhr im Gemeinderat diskutiert werden. Zuvor soll es am Freitag, 23. Februar, um 19 Uhr in der Aula der neuen Grundschule noch einen weiteren Infoabend mit den Kitas und Eltern geben. Für die Eltern bleibt die Hoffnung, "doch noch zu einem sinnvollen und für alle tragbaren Kompromiss zu gelangen, der auch in Zukunft eine finanziell erschwingliche Kinderbetreuung in unserer Gemeinde möglich macht".

Gebührendebatte in Starnberg

Auch in Starnberg wird darüber diskutiert, das städtische Defizit bei den Kindertagesstätten durch eine Gebührenerhöhung zu reduzieren. Eine Entscheidung dazu hat der Stadtrat bei der ersten Haushaltsberatung vergangene Woche vertagt. Aber auch in Starnberg würde die Gebührenerhöhung drastisch ausfallen.

Die Stadtverwaltung schlägt vor, die Gebühren in drei Schritten anzuheben. Bei den Kindergärten beispielsweise soll die Kostendeckung so bis zum Betreuungsjahr 2026/27 von derzeit 40 Prozent auf dann immerhin 55 Prozent angehoben werden. Für Eltern bedeutet das in den meisten Fällen aber eine Verdoppelung der Gebühren. Wer sein Kind etwa vier bis fünf Stunden betreuen lässt, müsste statt der aktuell 127 Euro im Betreuungsjahr 2024/25 dann 179 Euro bezahlen, im Jahr darauf 218 Euro und im Betreuungsjahr 2026/27 schließlich 257 Euro.

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