Verkehr:Starnberger Technik gegen dicke Luft im Tunnel

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Ein heimisches Unternehmen hat in Hongkong die weltweit größte Filteranlage verbaut - ein System, das sich auch für die Kreisstadt eigne, meint der Firmenchef.

Von Peter Haacke, Starnberg

Die Stadt, der Verkehr und der Tunnel: Seit mehr als 30 Jahren kreist eine erbittert geführte Debatte in Starnberg um diesen Dreiklang, der im Februar 2017 zugunsten des B2-Tunnels entschieden wurde. Die Diskussion darüber ist jedoch längst noch nicht beendet: Neben Sicherheitsaspekten geht es um die Abluft, die ungefiltert ausgeblasen werden soll. In anderen Städten tut man sich da leichter: Ausgerechnet das Starnberger Unternehmen Filtrontec hat im sieben Millionen Einwohner zählenden Hongkong in den 3,7 Kilometer langen "Tunnel Central - Wan Chai Bypass", Hauptbestandteil einer neuen Straßenverbindung an der Nordseite von Hongkong Island, nach eigenen Angaben vor wenigen Tagen die weltgrößte Filteranlage installiert, die 90 Prozent des Feinstaubs und 80 Prozent des Stickstoffdioxids aus der Abluft filtern sollen.

In Straßentunneln erreichen Schadstoffkonzentrationen schnell alarmierende Werte. Über Grenzwerte und Gesundheitsgefährdungen wird derzeit in Deutschland angesichts von Schadstoffbelastungen und Fahrverboten wieder diskutiert. Für Karl Dickels, den 81-jährigen Chef des im Jahr 2000 gegründeten Unternehmens Filtrontec, sind konventionelle Umweltschutzlüftungen mit Abluftkaminen keine optimale Lösung: Sie blasen die Abluft samt Schadstoffen ungefiltert in die Umgebung. Filter hingegen reduzieren die Schadstoffbelastung der Umgebungsluft und verbessern die regionale Luftqualität.

Der 3,7 Kilometer lange Tunnel Central "Wan Chai Bypass" ist Hauptbestandteil der neuen Straßenverbindung an der Nordseite von Hongkong Island. (Foto: Filtrontec)

Vergangene Woche nahm die Starnberger Firma den weltweit größten Abluftfilter im "Wan Chai"-Bypass nach knapp vier Jahren Bauzeit in Betrieb, den bis zu 180 000 Fahrzeuge auf jeweils drei Spuren pro Fahrtrichtung benutzen. Zum Vergleich: In Starnberg sollen es 18 000 sein, also ein Zehntel. "Die Technik an sich ist sehr einfach", sagt Diplom-Ingenieur Dickels, und verweist auf Referenzen in Madrid (Spanien), Sydney (Australien) oder eine Pilotanlage im Hamburger Elbtunnel, der aktuell nachgerüstet wird. Seine Firma mit zwölf Mitarbeitern in Starnberg und Wolfen (Sachsen-Anhalt) sowie Auslandsvertretungen in Asien und Australien ist ein weltweit führendes Unternehmen für die Reinigung von Abluft aus Straßentunneln und anderen Bauwerken.

Acht Filtersysteme mit drei Lüftergebäuden wurden in Hongkong verbaut, in Starnberg würde laut Dickels schon eines reichen mit einem Luftdurchsatz von 230 Kubikmetern/Sekunde. Die Feinstaubpartikel werden ionisiert - also elektrostatisch aufgeladen - und landen dann in einem auswaschbaren Filter. Stickstoffdioxide (CO₂), Ozon, unverbrannte Kohlenwasserstoffe und Benzol dagegen werden mittels speziell aufbereiteter Aktivkohle durch Adsorption und katalytische Umwandlung bis zu 80 Prozent abgeschieden. Die Aktivkohle kann nach Ablauf ihrer Nutzungsdauer entweder verbrannt oder regeneriert und wieder eingesetzt werden.

Im Zusammenhang mit dem Starnberger Tunnel hält Dickels das Thema für besonders aktuell; der Einbau eines Filters in den Abluftkamin am Schlossgarten könnte die Auswirkungen auf die Luftqualität deutlich verringern. Der hätte allerdings seinen Preis: Rund vier Millionen Euro kostet ein Partikelfilter, der sich problemlos einbauen ließe, etwa 5,6 Millionen die Version mit CO₂-Filter. Der Einbau einer Anlage in Starnberg könnte jedoch Folgen haben. Dem Staatlichen Bauamt Weilheim sind die Projekte der Firma Filtrontec bekannt. Dickels glaubt aber, dass das Bundesverkehrsministerium eine Nachrüstung ablehnt, weil andere Kommunen ebenfalls Forderungen erheben könnten.

© SZ vom 29.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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