Kultur:Apokalypse aus Holz

Lesezeit: 2 min

Ob es so aussieht, wenn in Utting die Untoten los sind? "Zombie Outbreak" hat Peter Sauerer dieses Exponat getauft. (Foto: Arlet Ulfers)

In ihrer Gemeinschaftsausstellung in Uttinger Raum B1 spielen zwei Künstler mit Vogelhäusern, Mäusefallen und dem Zustand der Welt.

Von Katja Sebald, Utting

Die gute Nachricht: Den "Raum B1" am Uttinger Bahnhofsplatz wird es auch noch geben, wenn die Welt untergegangen ist. Die schlechte Nachricht: Er wird dann das Zuhause von schwer bewaffneten Zombies sein; der Briefkasten und der Mülleimer vor der Tür werden wohl nicht mehr geleert werden.

Diese aus Holz geschnitzte Dystopie für Utting ist eins der Exponate in der aktuellen Ausstellung im "Raum B1". Das Künstlerpaar Trude Friedrich und Peter Sauerer aus Walleshausen (Landkreis Landsberg) stellt dort unter dem Motto "Shelter oder Behausungen für unliebsame Mitbewohner, Mausefalle und Bahndammtiroler - Holzskulpturen im Zeitalter von..." aus.

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Trude Friedrich und Peter Sauerer, die sich bereits seit Schulzeiten kennen, haben beide an der Akademie der Bildenden Künste studiert - sie bei Klaus Schultze und Norbert Prangenberg, er bei Eduardo Paolozzi. Beide arbeiten als Holzbildhauer, in gewisser Weise traditionell und sogar figürlich. Und dennoch steht jeder für sich und stehen beide gemeinsam für ein höchst ungewöhnliches Werk. Wie selbstverständlich und wie absichtlich an den Anforderungen des aufgeregten Kunstmarkts vorbei präsentieren sie sich mit winzigen und winzigsten Schnitzarbeiten in höchster handwerklicher Perfektion.

Trude Friedrich, 1955 in Argentinien geboren, baut kunstvoll verzierte Häuser mit Öffnungen in unterschiedlichen Größen, je nachdem, ob sie einem Taubenschwänzchen, einer Mückenfamilie oder anderen Insekten als Behausung dienen sollen. Sie schnitzt aus Lindenholz Geländer, schmückt Dächer und Fassaden, fertigt geflochtene Konstruktionen aus Kiefernnadeln, sie formt Nester aus Ästchen und baut ein Versteck aus Grashalmen, die sie einzeln aus einem Haselnusszweig schneidet und dann grün bemalt. Die feinsinnige Poesie ihrer Arbeiten entsteht vor allem aus der liebevollen Hinwendung, mit der sie sich noch dem kleinsten Detail widmet.

Trude Friedrich ist 1955 in Argentinien geboren. Sie baut kunstvoll verzierte Häuser mit verschiedenen Öffnungen. (Foto: Arlet Ulfers)
Peter Sauerer ist 1958 in München geboren. Er versteht es, Schnitzkunst und technische Tüfteleien mit Sprachwitz und Hintersinn zu vereinen. (Foto: Arlet Ulfers)
In seiner hölzernen Sparkasse ("Cassa di risparmio") hat Sauerer eine Lebendfalle für Mäuse untergebracht. (Foto: Arlet Ulfers)
Die Holzobjekte sind in verschiedenen Sprachen beschriftet - so wie hier das "Andechser Bier 2023" auf Arabisch. (Foto: Arlet Ulfers)

Peter Sauerer, Jahrgang 1958 und in München geboren, weiß in seinem Werk Schnitzkunst und technische Tüfteleien mit Sprachwitz und Hintersinn zu vereinen. Jede seiner Arbeiten erzählt vom Zustand der Welt. Das gilt natürlich für seine düster-komische Vision zum ehemaligen Uttinger Fremdenverkehrsamt, das seit einigen Jahren als "Raum B1" von Harry Sternberg als Kurator mit wechselnden Ausstellungen bespielt wird.

Es gilt aber auch für die wundersamen kleinen Holzobjekte, die mal mit "Wirtshaus am Kirchsteig" in kyrillischer Schrift und mal mit "Leberkäs und Ei" auf Chinesisch beschriftet sind. Und es gilt erst recht für den Nachbau eines "Palazzo delle Poste" aus einer von Mussolinis Planstädten und die Neorenaissance-Fassade einer "Cassa di Risparmio". Im Inneren dieser prätentiösen Gebäude brachte Sauerer jeweils eine Lebendfalle für Mäuse unter, präsentiert werden diese Arbeiten natürlich auf dem Boden des Ausstellungsraums.

Jedes einzelne der in dieser Ausstellung gezeigten Objekte ist ein zwar unscheinbar kleines, aber dennoch meisterhaftes und großartiges Kunstwerk. Es lohnt sich, genau hinzuschauen. Es lohnt sich auch, sich per QR-Code zu einer blühenden Blumenwiese schicken zu lassen. Noch mehr aber lohnt es sich, den tatsächlich aus Holz geschnitzten QR-Code zu entdecken. Oder die filigranen Steckkonstruktionen und anderen kostbaren architektonischen Details an den Behausungen für eigentlich unliebsame Mitbewohner zu bewundern. Am Ende aber lohnt sich am meisten das Lächeln, das diese wundersam luftige Ausstellung unweigerlich ins Gesicht jedes Besuchers zaubern wird.

Noch bis zum 13. August jeden Sonntag von 14 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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