Umweltschutz:Bienen im Wettlauf mit der Zeit

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Unter Imkern (von links): Hubert Dietrich, Vorsitzender der Kreisimker, Landwirtschaftsminister Helmut Brunner, Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes Naturschutz, Martin Neumeyer von den Bayerischen Staatsforsten und Stefan Köhler, Umweltpräsident des Bayerischen Bauernverbandes. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Landwirtschaftsminister Helmut Brunner und Verbandspolitiker diskutieren beim Imkergespräch in Starnberg über die negativen Auswirkungen von Spritzmitteln und Massenproduktion

Von Carina Seeburg, Starnberg

Das weltweite Insektensterben beunruhigt die Fachleute. "Auch der Honigbiene geht es schlecht. Sie ist aber eines der wenigen Insekten, das eine Lobby hat und für das sich Menschen stark machen", sagte Andreas Fleischmann von der Botanischen Staatssammlung München beim Imkergespräch in Starnberg. Das Interesse war groß, die Schlossberghalle fast bis auf den letzten Platz besetzt.

Die vom Vorsitzenden des Bienenzuchtvereins Starnberg, Hubert Dietrich, 2008 ins Leben gerufene Tagung hat sich zu einem Fachtreffen mit überregionaler Bedeutung entwickelt. Es bringt Politiker, Verbandsvertreter, Bienenzüchter und Wissenschaftler an einen Tisch.

"Der Rückgang der Artenvielfalt und der schieren Biomasse ist drastisch", warnt Fleischmann und beruft sich auf eine Studie, die eine Abnahme von fliegenden Insekten um 70 Prozent in den vergangenen 27 Jahren feststellt. Das Artensterben führe zu einer Krise der Bestäubung. Denn: "Die Bestäubungsleistung können Honigbienen nicht alleine erbringen" erklärt Fleischmann. Auch Hummeln, Wildbienen und Falter, insgesamt tausende Arten bestäuben Wild- und Kulturpflanzen.

Die Landwirtschaft, die unter dem Bestäubungsproblem leide, trage selbst erheblich zu seiner Entstehung bei, sagte Fleischmann: "Die Hauptursachen sind menschgemacht". Monokulturen wie Maisfelder seien unüberwindbare Areale für Insekten. "Diese Felder sind wie Wüsten. Blühstreifen und Hecken an Feldrändern bringen nichts, wenn an der angrenzenden Fläche gespritzt wird." In der Kritik steht bei Imkern und Naturschützern vor allem der Einsatz von Neonikotinoiden, starke Nervengifte, die bei Insekten und Honigbienen zur Orientierungslosigkeit und zum Tod führen.

Grundwasser und Böden würden durch Chemikalien zudem in Mitleidenschaft gezogen. Ein weiteres Problem sei die Flächenversiegelung, hieß es bei dem Treffen in Starnberg. Fleischmann appellierte an Landwirtschaftsminister Helmut Brunner, der negativen Entwicklung entgegenzuwirken und der Gewinnmaximierung nicht die Biodiversität der Region zu opfern.

Ein Umdenken vollziehe sich sowohl in der Gesellschaft als auch auf politischer Ebene, beteuerte Brunner. Jährlich würden etwa 60 Millionen Euro aus dem bayerischen Kulturlandschaftsprogramm in Biodiversitätsmaßnahmen fließen. Die Einsatzgebiete von Neonikotinoiden müssten sorgfältig überprüft werden, sagte er. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EBL) sei mit einer neuen Bewertung von Neonikotinoid-Beizen beauftragt. "Sollte der Endbericht eine nachhaltige Gefährdung feststellen, darf es keine weitere Zulassung geben", sagte Brunner. Auch der Einsatz des Herbizids Glyphosat müsse minimiert werden. Der Verbraucher habe Einflussmöglichkeiten, wenn er darauf achte, woher Apfelsaft und Honigbrot stammen: aus der Region oder aus Argentinien, China oder Mexiko.

Für ein Umdenken hin zu regionalen Absatzmärkten plädiert Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes Naturschutz. Wer auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig sein will, müsse billig produzieren und auf Masse setzen. "Da sind wir als Gesellschaft gefordert", sagt Weiger.

Stefan Köhler vom bayerischen Bauernverband ist sich sicher, dass es an den Landwirten nicht scheitern wird, wenn gute politische Rahmenbedingungen geschaffen würden, die eine rentable und nachhaltige Landwirtschaft ermöglichen. "Wir haben hier in Bayern noch kleinbäuerliche Strukturen, mit denen wir einen anderen Weg einschlagen können", schließt Weiger. "Noch, denn es ist ein Wettlauf mit der Zeit".

© SZ vom 27.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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