Seenotrettung:Aus dem Fokus verdrängt

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Im Mittelmeer sind seit Jahresbeginn weit mehr als 1000 Menschen ertrunken. In der öffentlichen Wahrnehmung fand das Thema jedoch kaum statt - der Ökumenische Unterstützerkreis Tutzing will das wieder ändern. (Foto: Flavio Gasperini / SOS Mediterranee)

Nach wie vor sterben Migranten bei der Flucht übers Mittelmeer. Der Ökumenische Unterstützerkreis Tutzing will dem Thema nun wieder verstärkt Aufmerksamkeit widmen.

Von Linus Freymark, Tutzing

24 481. Die Zahl stammt von der Internationalen Organisation für Migration IOM der Vereinten Nationen und zeigt an, wie viele Menschen seit 2014 im Mittelmeer ertrunken sind. 24 481 - fast 25 000 Tote. Allein seit Jahresbeginn sind es mehr als 1000 Menschen, die bei der Flucht über das Mittelmeer ums Leben kamen.

Der Ökumenische Unterstützerkreis Tutzing will nun wieder vermehrt auf das Sterben im Mittelmeer aufmerksam machen. Seit Putins Überfall auf die Ukraine kümmerten sich die Ehrenamtlichen in den vergangenen Monaten vor allem um die im Fünfseenland eingetroffenen Geflüchteten aus dem Osten Europas. Nun aber ist die akute Not der Menschen aus der Ukraine erstmal gelindert, und so können die Freiwilligen sich wieder vermehrt der Unterstützung für die Seenotrettung widmen. Vor Kurzem hat der Verein Kassensturz bei seiner Hilfsaktion "Tutzing hilft im Mittelmeer" gemacht, rund 55 000 Euro sind dabei allein von November 2021 bis April 2022 zusammengekommen. Seit Beginn der Aktion im November 2020 waren es sogar mehr als 130 000 Euro. Das Geld kommt Organisationen zugute, die sich um die Rettung und Betreuung der Geflüchteten kümmern und mit denen die Tutzinger seit Langem zusammenarbeiten. "Da herrscht ein großes Vertrauen", sagt Claudia Steinke vom Tutzinger Helferkreis. Vor Ort werde die Hilfe dringend gebraucht, so Steinke. "Da fehlt es an so Vielem."

Neben der Spendenaktion plant der Verein mehrere Vorträge, um auf das Schicksal der Menschen aufmerksam zu machen, die gezwungen sind, über das Mittelmeer zu flüchten. Für Ende Oktober etwa ist bereits eine solche Veranstaltung geplant. Dabei soll es auch um jene Geflüchtete gehen, die nicht aus der Ukraine stammen und die es aufgrund der Rechtslage in Deutschland deutlich schwerer haben, hier Fuß zu fassen. Oft müssen sie dafür kämpfen, überhaupt hier bleiben zu dürfen. Eine absurde Situation, findet Steinke - immerhin würden in so vielen Branchen gerade Arbeitskräfte fehlen. Auch deshalb finden Steinke und ihre Kollegin Gabriele Dannert, dass es in Zukunft neben der Solidarität für die Menschen aus der Ukraine auch wieder mehr um jene Geflüchtete aus anderen Ländern gehen müsse. "Die sind zuletzt auf der Strecke geblieben", sagt Dannert. Und das, obwohl die Gesellschaft mit der enormen Hilfsbereitschaft für die Menschen aus der Ukraine ja gezeigt habe, dass es eine breite Willkommenskultur tatsächlich geben kann.

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