Lesung:Von Erinnerungen und "innerer Wahrheit"

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Karin Schreibers Roman erscheint im Verlag Starnberger Hefte. (Foto: Maren Martell/oh)

Karin Schreiber präsentiert in Tutzing ihren Roman "Davon geht die Welt nicht unter". Sie reflektiert hierbei ihre Familiengeschichte.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Tutzing

Eigentlich wollte die Undine-Preisträgerin Karin Schreiber nur einen Beitrag zum Thema Berge für die Starnberger Hefte schreiben. Doch der Herausgeber Ernst Quester regte an, aus ihren Nachkriegszeit-Erinnerungen einen Roman zu machen. "Es ist ein langes Werk", sagt die 81-jährige. Damit meint sie nicht etwa das 250 Seiten umfassende Buch, das im Verlag Starnberger Hefte erschienen ist. Vielmehr geht es darum, dass sie drei Jahre benötigte, bis der Roman "Davon geht die Welt nicht unter" fertig war. Das Buch wird am Donnerstag,28. September, um 19 Uhr, in der Buchhandlung "Eselsohr" in Tutzing vorgestellt.

Es war eine umfangreiche Recherche notwendig, da die Familienangehörigen, wie viele Menschen aus dieser Zeit, über ihre Erlebnisse schwiegen. Es ging um Schreibers Tante, die eine überzeugte NS-Anhängerin war. Als wenige Tage vor Kriegsende die Alliierten einmarschierten, hatte sie sich geweigert, das Bild des Führers abzunehmen. Daraufhin war sie in die Berge verschleppt und laut Schreiber "offensichtlich vergewaltigt" und getötet worden. Ob die Amerikaner verantwortlich waren oder die Franzosen, kam nie heraus. Der zweite, für Schreiber wichtigere Handlungsstrang handelt von Ilse, genannt Ilsche. Sie ist ein aufgewecktes, lebhaftes, phantasievolles Kind. Die Erwachsenen indes sehen in Ilse nur das unfolgsame Kind, weil sie ihre Fragen nicht beantworten wollen oder können.

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In dieser Figur steckt viel von Schreiber selbst. "Ich bin innerlich hingeführt worden", sagt die ehemalige Lehrerin aus Herrsching, die im vergangenen Jahr aus gesundheitlichen Gründen in die Nähe ihrer Tochter nach Freising umzog. Sie habe viele ihrer eigenen Wesenszüge in das Kind hineingebracht. Schon in der Kindheit sei sie ein "Literaturfreak" gewesen, konnte sich aber nicht vorstellen, einmal selbst zu schreiben. Erst mit 63 Jahren, als sie schon im Ruhestand war, hat sie Gedichte verfasst. "Es war ein Geistesblitz und es zog mich zur Lyrik", meint sie rückblickend.

Es sei Ernst Quester zu verdanken, der sie immer wieder ermutigt und unterstützt habe, so dass sie nun auch einen Roman verfasst hat. Sie habe nicht irgendetwas schreiben wollen. Sie habe stets geprüft, ob ihre Erinnerungen ihrer "inneren Wahrheit" entsprechen. Denn Erinnerungen seien stets subjektiv. Während sich ihr Rückblick in die Vergangenheit häufig mit dem ihres Bruders gedeckt habe - er hat die Familiengeschichte recherchiert - seien die Erinnerungen nicht übereinstimmend mit jenen der Schwester gewesen. Es blieb vieles im Ungewissen; denn ihre Mutter hatte sämtliche Erinnerungsstücke verbrannt. Das Familienstammbuch hat ihr Bruder am Ende in Griechenland gefunden. Schreiber hat deshalb ihre eigene innere Wahrheit als literarisches Werk verfasst.

Die Autorin wird Fragen aus dem Publikum beantworten

Auch mit 81 Jahren hat Schreiber noch Ziele: Sie will noch ein Buch über das Alter schreiben. "Aber dazu muss ich erst die Kraft finden", sagt sie. Als ehemalige Lehrerin für Deutsch, Französisch und evangelische Religionslehre, die in Dießen unterrichtet hat, könne sie gut reden und schreiben, erklärt Schreiber. Aber sich selbst präsentieren könne sie nicht, das sei ihr unangenehm. Zudem sei sie gesundheitlich nicht mehr dazu in der Lage. Deshalb wird zur Lesung am Donnerstag in der Buchhandlung "Eselsohr" Julia Behr einige Passagen aus Schreibers Buch lesen.

Karin Schreiber wird aber anwesend sein und für Fragen zur Verfügung stehen. Ernst Quester wird die Moderation übernehmen und anschließend wird eine Mischung aus Geschichten und Gedichten aus früheren und künftigen "Starnberger Heften" vorgestellt. Musikalisch umrahmt wird die Veranstaltung von der "Philharmonie Starnberger See" unter der Leitung von Anton Bernhard.

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