Trachten:Ein Schwalbenschwanz für den Kocherl-Ball

Lesezeit: 2 min

Zu einem bayerischen Trachtengewand kommen nur Haferlschuhe in Frage, die es beim Basar des Heimat- und Volkstrachtenvereins in reicher Auswahl gab. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

"Trachtengwand aus zwoater Hand": Beim Basar des Heimat-und Volkstrachtenvereins geht es diesmal ruhiger zu als in den Vorjahren. Aber es zeigt sich, dass Tracht in ist - und Landhausmode nicht mehr gefragt

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

Diesmal fehlen die fünf Mädchen, die jedes Jahr schon zwei Stunden lang angestanden haben, bevor der Trachten-Secondhand-Markt des Heimat- und Trachtenvereins Starnberg beginnt. Das ist den 25 Helferinnen, die die Organisatorin Brigitte Wackerl an diesem Samstag zusammengetrommelt hat, sofort aufgefallen. Die jungen Frauen hatten immer frische Semmeln dabei und verkürzten sich die lange Wartezeit mit einem ausgiebigen Frühstück. Überhaupt geht es dieses Mal beim "Trachtengwand aus zwoater Hand" überraschend ruhig zu. Die Schlange ist "nur" rund 25 Meter lang. Es gab schon Zeiten, da mussten sich die Interessenten, die pünktlich zur Eröffnung um 9 Uhr, mit der S-Bahn ankamen, gleich beim Parkdeck anstellen, das rund 100 Meter vom Trachtenheim entfernt ist.

Doch auch wenn die meisten Leute sich hinten anstellen: Wer es wagen sollte, an der Schlange ohne glaubwürdige Entschuldigung vorbeizugehen, muss sich einige deftige Sprüche gefallen lassen. Denn auch heute waren die Profis unter den Besuchern schon mindestens eine Stunde vor Öffnung des Trachtenheims da. Und da kommen Drängler nicht gut an. Es ist neun Uhr, jetzt kommt Bewegung in die Warteschlange. Helmut Schmücker hat den Ansturm fest im Griff. Aus Erfahrung weiß er, dass er mit dem ersten Schwung nur rund 50 Leute in die Verkaufsräume lassen darf. Sonst wird es zu eng. Die Interessenten kennen alle Tricks. Zielstrebig gehen sie zu den Dirndln im ersten Stock. Sie wissen, man muss früh dran sein, sonst sind die besten Stücke weg. Denn es hat sich herumgesprochen, dass der Trachtenmarkt - der Erlös ist für die Jugendarbeit - eine gute Adresse ist, um eine Originaltracht zum günstigen Preis zu erstehen.

Tracht liegt im Trend. Nicht das Dirndl aus dem Internet in Neonfarben oder das, was die Trachtenvereinsmitglied Carola Mühlberger etwas abfällig "Wiesn-Verkleidungsstil" nennt. Was ein echter Bayer ist, der braucht "a boarisches Gwand", erklärt Herbert Buchner aus Wörthsee. Er ist ein "Stammkunde", kommt schon seit Jahren zum Starnberger Trachtenmarkt, um einzukaufen, aber auch, um zu verkaufen. "Man sammelt so viel." Mindestens zwölf Mal pro Jahr gehen er und seine Frau aufs Oktoberfest. Um sich von den Touristen abzuheben, tragen sie ausschließlich Tracht. Zwei Hüte hat Buchner schon gefunden. Jetzt sucht er noch einen "Gehst-hintre", das ist ein Schwalbenschwanz, für den Kocherl-Ball in München.

Am Stand mit den Lederhosen herrscht dichtes Gedränge. Wackerl lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, sucht für jeden der mindestens 30 Männer die passende Größe heraus. André Weller hat gleich zwei passende Hirschlederne für sich entdeckt. Der junge Mann aus Oberschleißheim ist "auf Empfehlung" gekommen und strahlt. "Jetzt muss nur noch meine Frau entscheiden, welche ich nehmen soll." Auch Severin Benedikt aus Maising ist fündig geworden. Das Hemd, das er gerade probiert, passt wie angegossen. Der Elfjährige wird beim Wiesn-Umzug das "Taferl" der Pöckinger Blaskapelle tragen. Kinder wachsen schnell. Seine Lederhose könne er zwar noch anziehen, erklärt sein Vater Joachim Benedikt. Aber aus den Haferlschuhen sei er herausgewachsen. Nun hat er kaum getragene Schuhe für 20 Euro entdeckt. Nach 15 Minuten wird ein neuer Besucher-Schwung hereingelassen. Die Helferinnen halten sich im Hintergrund. Sie lassen die Leute in Ruhe anprobieren. Erst wenn sie sich entschieden haben gibt es Tipps, ob man etwas an dem ausgewählten Kleidungsstück ändern kann. Manche der Besucher kommen im Laufschritt. Sie befürchten offenbar, dass das Beste schon verkauft ist. Doch laut Wackerl ist viel hereingekommen, 158 Leute haben jeweils bis zu 15 gebrauchte Kleidungsstücke abgegeben. Vier Wochen lang hat Wackerl Nummern verteilt und Preisempfehlungen abgegeben. "Landhaus ist schon seit Jahren out. Nur noch Dirndl und Lederhosen sind gefragt", weiß sie aus Erfahrung. Jetzt hängt das "Trachtengwand" sauber geordnet nach Blusen, Miedern, Schürzen und Jankern, und für die Redoute aufgereiht nach Uniformen, Abendkleidern, Fracks und Zylindern. Das Angebot ist riesig. Es wird auch für die rund 20 Besucher reichen, die nach einer halben Stunde noch immer draußen stehen.

© SZ vom 12.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: