"Villino"in  Feldafing:Der "Zauberberg" im Erdgeschoss

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Die Artemed-Klinik will das einstige Sommerhaus Thomas Manns wieder in den Originalzustand versetzen und wieder für die Öffentlichkeit zugänglich machen.

Von Sabine Bader, Feldafing

Thomas Mann und Klinikalltag - wie geht das zusammen? Auf den ersten Blick ist das eher schwierig. Doch dann fällt einem der "Zauberberg" ein, in dem der Schriftsteller den Alltag in einem Lungen-Sanatorium so trefflich beschrieben hat. Im "Villino", seinem "Mausloch", wie Thomas Mann das kleine Häuschen in Feldafing nennt, hat er das bekannteste und wohl auch sinnlichste Kapitel dieses Werks geschrieben: "Die Fülle des Wohllauts." Mauseloch nennt Mann das Häuschen deshalb, weil er hier die Ruhe findet, die der zum Arbeiten so dringend braucht. Doch er verkriecht sich hier nicht nur, er macht auch ausgiebige Spaziergänge am See, rudert auf dem Starnberger See und hört im Erdgeschoss mit dem Grammophon leidenschaftlich seine Opern von Wagner, Beethoven, Verdi und Puccini.

Ihr Konzept für das "Villino" präsentieren (von links) Simon Machnik, Professor Rainer Salfeld, Veronika Hofmann, Gernot Abendt, Bernhard Sontheim und Carlos Graf Maltzan. (Foto: Arlet Ulfers)

Das war zwischen den Jahren 1919 und 1923. Das von dem Literaturwissenschaftler Dirk Heißerer 1994 wiederentdeckte Villino steht noch heute. Das Gelände auf dem es steht, gehört der Artemed-Klinik, die dort gerade ein neues Krankenhaus in die Höhe wachsen lässt.

In das Konzept des Hauses soll nun auch das Villino und das Andenken an Thomas Mann integriert werden. Am Dienstag stellten Artemed-Chef Professor Rainer Salfeld, Geschäftsführer Simon Machnik und die Geschäftsführerin der Artemed-Stiftung, Veronika Hofmann, das Konzept ihres Hauses vor.

Das Gebäude soll nun erst einmal von Grund auf saniert und möglichst wieder in seinen historischen Zustand um 1920 versetzt werden. Einfach wird dies nicht, betont Salfeld: "Denn es ist fast nichts mehr original". Verändert wurden neben Wand und Bodenbelägen auch die Zuschnitte der Räume, Türen und Fenster. Architekt Carlos Graf Maltzan fällt die diffizile Aufgabe zu, das Haus nach historischem Vorbild zu rekonstruieren. Ist der Umbau erst einmal abgeschlossen, was in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres der Fall sein dürfte, soll voraussichtlich im Parterre an Thomas Manns Zeit in Feldafing erinnert werden. Man will den Ausstellungsbesuchern laut Salfeld zwei Filme und eine Dauerausstellung präsentieren. Einer der Filme wird sich mit Thomas Mann am Starnberger See befassen und dem Gegensatz von "Zauberberg" zur modernen Medizin. Die Ausstellung wird der Tutzinger Thomas-Mann-Kenner und frühere Gemeinderat Gernot Abendt konzipieren. In die Räumen im Obergeschoss soll die Artemed-Stifung einziehen. Sie entsendet laut ihrer Geschäftsführerin Veronika Hofmann Ärzte nach Bolivien, Myanmar und Tansania (siehe Kasten).

Wenn es nach Feldafings Bürgermeister Bernhard Sontheim geht, wird das Villino Teil eines größeren Kulturkonzepts - eine Art "Cultural Walk", wie er es in der Veranstaltung nennt. Die Gemeinde plant in einem der historischen Sturmblockhäuser nahe dem Villino, in denen die Nazis einst ihre "Nationalsozialistische Oberschule Starnberger See" betrieben, eine Gedenkstätte für " Displaced Persons", DP's, die nach dem Krieg hier eine Zufluchtsstätte fanden. Eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet die Geschundenen in Bauten ihrer einstigen Häscher unterkamen. Im Umfeld könnte laut Sontheim auch ein Teil der bedeutenden Sammlung des Tutzingers Joseph Hierling gezeigt werden, die Kunstwerke des expressiven Realismus umfasst. Die Nazis hatte diese Künstler ins wirtschaftliche Abseits gedrängt und verfolgt. Darum gelten die Vertreter dieser Kunstrichtung auch als "verschollene Generation."

© SZ vom 18.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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