SZ-Adventskalender:Mobil auf drei Rädern

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Bub leidet an Epilepsie und Gleichgewichtsstörungen

Von Blanche Mamer, Starnberg

"Sie muss alles allein stemmen, ihr Mann ist schwer krank, wurde kürzlich operiert, er kann nicht arbeiten", sagt Martina Ottmar, Inklusionsbeauftragte der Gautinger Insel im Vorgespräch. Dann kommt Joanna Ruiz (Name geändert), sie ist sehr verlegen. Sie knetet die Hände, hat die Augen gesenkt und braucht lange, bis sie sich etwas zu sagen traut. Ihr Sohn Juan ist zehn Jahre alt und leidet an Epilepsie. Er hat Gleichgewichtsstörungen und Probleme mit den Kiefergelenken, so dass er nicht gut kauen kann und sehr unsauber isst. Er muss immer wieder ins Krankenhaus, um auf die richtige Medikamentendosis eingestellt zu werden.

Frau Ruiz hätte gern ein robustes Fahrrad mit drei Rädern für ihren Sohn. Damit könne er mobil sein, sich draußen bewegen und seine Motorik schulen. Ottmar sieht vor allem den Aspekt der Teilhabe. "Das würde ihm helfen, andere Kinder aus dem Ort kennen zu lernen." Es würde ihm zudem zu mehr Selbstständigkeit verhelfen und ihn dazu bringen, allein, ohne seine Mutter, aus dem Haus zu gehen, vielleicht sogar um zum Bäcker zu radeln, Brot zu kaufen oder bis zum Supermarkt.

Die Familie kommt aus Südspanien und lebt seit 2004 im Landkreis. Obwohl sie schon so lange da ist, spricht Frau Ruiz nur rudimentär Deutsch. Sie hat immer schwer arbeiten müssen, für Deutschunterricht blieb da keine Zeit. Und mit dem kranken Kind schon gleich gar nicht. Der Sohn geht in die Franziskusschule in Starnberg und hat ebenfalls Probleme mit der deutschen Sprache. Seine Eltern sprechen ihren spanisch-portugiesischen Dialekt. In der Ganztagsschule bekomme er Nachhilfe im Lesen und Schreiben. Im Rechnen sei er gut, erzählt seine Mutter. Sie selbst ist eigentlich Kunsterzieherin, doch wegen ihrer mangelhaften Deutschkenntnisse kann sie nicht in ihrem Beruf arbeiten; sie hat zwei Jobs als Haushälterin und Zugehfrau. Sie geht immer zu Fuß zur Arbeit, jeder Weg dauert eine halbe Stunde und führt entlang einer sehr verkehrsreichen Straße. Dass es eine Abkürzung, einen schönen ruhigen Weg entlang von Wiesen und Feldern gibt, hat sie nicht gewusst. Sie wird ihn einem gemeinsam mit der Inklusionsbeauftragten gehen und sich jedesmal bis zu 15 Minuten sparen.

Außer Spanisch spricht sie Italienisch. Sie weiß, dass ihr Leben leichter wäre, wenn sie besser Deutsch könnte und sie weiß, wie wichtig es für ihren Sohn ist, gut Deutsch zu lernen und in der Schule mit zu kommen. Eigene Wünsche? Da schaut sie ratlos. Das hat sie sich gar nicht überlegt, es geht doch vor allem um Juan. Doch dann sagt sie, dass sie einen Vorhang für ihre Kleider bräuchte. Der alte krumme Schrank ist nämlich zusammengekracht. "Also brauchen Sie einen neuen Kleiderschrank", meint Ottmar. Über die Feiertage hat Frau Ruiz frei, erst nach Neujahr muss sie wieder arbeiten. Zum Glück könne sie Juan dann mitnehmen, denn seine Ferien dauern ja länger. Und dann sagt sie ganz leise, sie würde gerne einmal ein schönes Weihnachtsessen nach Rezepten aus ihrer Heimat kochen, mit Fisch, einer kleinen Gans, frischem Gemüse und einem großen Schokoladenkuchen. Vielleicht klappt das ja noch durch die Spenden des SZ Adventskalenders.

© SZ vom 03.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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