SZ-Adventskalender:Mal politisch, mal amüsant

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Stefan Noelle mit Band bei einem Benefizkonzert zugunsten des SZ Adventskalenders im Gautinger Bosco. (Foto: Georgine Treybal)

100 Zuhörer lauschen dem Liedermacher und Schlagzeuger Stefan Noelle und dessen Band beim Benefizkonzert zugunsten des SZ-Adventskalenders im Gautinger Bosco

Von Astrid Becker, Gauting

Als in den Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Reporter der SZ durch die Stadt streifen, treffen sie auf alleinerziehende Mütter, deren Männer gefallen waren, auf ältere Menschen, deren Häuser ausgebombt worden und auf Veteranen, die aufgrund ihre körperlichen Gebrechen dringend auf die Hilfe anderer angewiesen sind. In diesem Jahr, 1948, gründen die Reporter den Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung. So erzählt es die stellvertretende Leiterin der Redaktion München, Region, Bayern, Karin Kampwerth, am Dienstag. Sie begrüßt damit die etwa 100 Menschen im Gautinger Bosco, die zu einem Benefizkonzert des Liedermachers Stefan Noelle und seiner Band zugunsten der notleidenden Menschen dieser Tage gekommen sind.

Der Musiker schafft es an diesem Abend, auch immer wieder den Bogen zum Hilfswerk der SZ zu spannen. So erzählt er, erst verbal, dann auch musikalisch, vom Olympiaberg, auf den er selbst immer wieder steige. Dort oben genössen die Menschen den Blick auf die Alpen, und er wundere sich dann immer, warum sie sich nicht wunderten. Über eine Erhebung wie diese inmitten einer riesigen Ebene. Einer Erhebung, die einst aus den Trümmern und dem Schutt aus dem Krieg entstanden ist. Das wüssten nur noch wenige, sagt er. Und die, die es wüssten, würden immer weniger: "Ich will aber, dass es viele wissen." Dem Berg mitten im Flachland von München hat er wohl deshalb ein eigenes Lied gewidmet.

Es ist eine relativ neue Rolle, die Noelle als Liedermacher einnimmt. Denn der 54-Jährige ist eigentlich Percussionist und Schlagzeuger, allerdings einer, der schon mit 21 Jahren davon träumte, eigene Lieder zu schreiben. Diesen Traum habe er sich aber erst 26 Jahre später erfüllt, wie auch der Redaktionsleiter der Starnberger SZ, David Costanzo, in seiner Rede vor Beginn des Konzerts sagt. Und Noelle hat sichtlich Spaß an dieser Art der Musik. Vor allem dann, wenn er sein Publikum überraschen kann. An diesem Abend zum Beispiel mit Abathar Kmash, der mit seinem eindringlichen Spiel an der Oud direkt in seine Heimat Syrien entführt, in ein einst wunderschönes Land, das es so nicht mehr gibt. Geschickt nimmt Noelle damit Bezug auf das aktuelle Zeitgeschehen. Er beweist auch, dass er politisch sein kann ohne laute Töne anzuschlagen. Es ist vielmehr so, als habe sich der Musiker zwar Wegbegleiter seiner Jugend zum Vorbild genommen, Bob Dylan etwa oder Simon & Garfunkel, als habe er sich dabei aber eher ein paar Reinhard Mey-Attitüden angewöhnt. Etwa dann, wenn er von Eichhörnchen singt, die von allen Menschen auf der Welt gleich betrachtet würden.

Noelles Texte sind aber nicht immer ernsthaft, sondern bisweilen auch voller Selbstironie und Humor, was den Abend recht kurzweilig werden lässt. Zum Beispiel, wenn er sich übers Älterwerden, vor allem als Mann, lustig macht. Sein Vater, so ist zu erfahren, habe ihm schon immer gesagt, dass die "Summe aller Haare" über die Zeit immer konstant bleibe. Klar, dass er sich mit der Erfahrung, am Kopf einem Fischotter zu gleichen, am Körper allerdings eher einem Schimpansen auch in einem Song auseinandersetzt.

Womit wir auch gleich bei den Themen Eitelkeit und Narzissmus wären. Auch diesen Charakterzügen widmet er ein Lied, in dem er sich in einen Spiegel versetzt - und zwar in einen mit besonderer Bestimmung. In ihm spiegelt sich ein Mann im blauen Anzug samt überlanger roter Krawatte und rotblondem Haar, der irgendwann auch nackt seine Posen vor dem Spiegel einstudiert und sich dabei offenbar großartig findet. Dem Spiegel behagt das immer weniger. Regelrecht angeekelt ist er gar, als der Nackte einen zweibeinigen Kleiderbügel zu sich zitiert, an dem er mal wieder einen "Griff" üben will, der dem "Schatzi" doch auch gefalle, wie Noelle singt. Unnötig zu erwähnen, dass die Geschichte, die er da erzählt, in den Vereinigten Staaten spielt. Dem Publikum gefällt das recht gut. Aber der Abend mit Noelle und seinen Musikern, Max Braun (Bassklarinette, Flöten) und Adrian Reiter (Gitarre) kommt ohnehin gut an. Der Beifall jedenfalls ist groß.

© SZ vom 08.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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