SZ-Adventskalender:Im Abseits

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Ältere Frauen scheuen sich oft, Hilfe zu beantragen. Gerade sie brauchen aber Unterstützung

Von Blanche Mamer, Starnberg

"Moment, ich muss erst noch meinen Jaguar wenden", sagt Maria Eglinger (Name geändert) - und rangiert ihren Rollator im schmalen Gang hinter der Wohnungstür. Schon auf den ersten Blick macht die kleine weißhaarige Frau einen gebrechlichen Eindruck, nur mühsam bewegt sie sich zurück zu ihrem Sessel. Sie ist gerade 90 Jahre alt geworden und nach einem Herzenswunsch gefragt, sagt sie ohne zu zögern: "Ein neues Hirn. Denn ich kann mir nichts mehr merken." Das kann der SZ-Adventskalender zwar nicht leisten, aber vielleicht können Spenden von SZ-Lesern ihr doch helfen.

Sie brauche Unterwäsche, neue Bettwäsche, Waschlappen, warme Socken mit Noppen, eine zweite Wärmflasche und eine angenehme wollene Kuscheldecke für ihren Sessel, zählt Cecilia Mckechnie von der Sozialstation Gilching auf. Und sie würde sich sicher über einen neuen Haarschnitt freuen. Maria Eglinger blinzelt bei diesem Vorschlag, sie freut sich, dabei kann sie sich nicht mehr im Spiegel sehen, denn sie leidet am grünen Star. Blindengeld bekommt sie bisher nicht.

Es ist die größte Angst der alten Frau, dass "ich aus der Wohnung raus muss und sie mich ins Heim stecken. Da will ich vorher sterben", sagt sie. Und meint dann noch: "Da hat man sein ganzes Leben gearbeitet, doch am Schluss bleibt nichts übrig, man muss sogar Schulden machen." Bei ihr sind in den vergangenen Jahren einige Schulden zusammengekommen. Bevor sie einen amtlichen Betreuer und Unterstützung durch die Sozialstation hatte, hat ihr einziger Verwandter, ein Großneffe, sich ein wenig gekümmert. Allerdings hat er die anfallenden Rechnungen der Wäscherei nicht bezahlt, sodass Maria Eglinger diese jetzt abstottern muss. Hinzu kommen jetzt noch einige Leistungen durch die Sozialstation, die berechnet werden und somit ebenfalls abbezahlt werden müssen. Die alte Frau hat nur eine kleine Rente, die knapp über dem Sozialhilfesatz liegt und bei weitem nicht reicht für ein einigermaßen komfortables Leben. Sie braucht Beihilfe zur Pflege und jedes Extra muss beantragt werden. Dass sie sich nicht mal mehr Unterwäsche leisten kann, das hätte sie nie für möglich gehalten.

Ihre Geschichte ist typisch für viele alte Menschen, die ein trauriges Lebensende erwartet. Man vergisst sie leicht, weil sie sich in ihren vier Wänden verkriechen. Oft sind die Mitarbeiter der Pflege- und Sozialdienste die einzige Verbindung zur Außenwelt. Es sind immer noch vor allem ältere Frauen, die das Sozialamt meiden und sich scheuen, Sozialhilfe zu beantragen. Denn allein der Antrag mit dem vielen Kleingedruckten ängstigt sie, da sie ihr ganzes Leben offen legen müssen und befürchten, dass die Angehörigen zur Kasse gebeten werden. Viele scheuen sich sogar, eine Befreiung von den Medikamentenzuzahlungen zu beantragen. Schulden entstehen auch dadurch, dass sie die Radio- und TV-Gebühren nicht bezahlen können, und nicht protestieren, selbst wenn sie keinen Fernseher besitzen.

Besonders prekär wird es, wenn die Brille kaputt geht oder ein neues Hörgerät gebraucht wird. Diese Kosten werden auch bei jenen Menschen nicht bezahlt, die auf Grundsicherung im Alter angewiesen sind. Im reichen Fünfseenland sind das immerhin 620, für Alleinstehende liegt der Regelsatz bei 404 Euro, das muss reichen für Essen, Kleidung, Hausrat und Extras. Gehen Kühlschrank oder Waschmaschine kaputt, kann das Sozialamt der Kreisbehörde eventuell ein zinsloses Darlehen gewähren, sagt Michael Kröck, Teamleiter "Wirtschaftliche Sozialhilfe" im Landratsamt Starnberg. Für Brille, Gebiss oder Hörapparat gilt das nicht. "Wir müssen uns an die gesetzlichen Vorgaben halten und haben keinen Spielraum. Die Mitarbeiter sind darum immer froh, wenn sie auf Spenden, wie vom SZ-Adventskalender, zurückgreifen können."

© SZ vom 03.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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