SZ-Adventskalender:Ein Fest ohne Hoffnung

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Marina M. pflegt ihren Mann, der an einem inoperablen Hirntumor leidet. Weil sie ihren Job aufgeben musste, lebt die Familie jetzt von ihren Ersparnissen. Für Weihnachtsgeschenke ist kein Geld da

Von Blanche Mamer, Starnberg

Die Angst vor der Zukunft steht ihr in den großen dunklen Augen. Wie versteinert berichtet Marina M., 38, von der Krankheit ihres Mannes. Der 47-jährige Miro M. leidet an einem inoperablen Hirntumor. Die Diagnose Glioblastom, Stadium 4, kam aus heiterem Himmel, nach einem MRT als Voruntersuchung zu einer Herzoperation in diesem Sommer. Sie spricht leise, sie will ihren Mann nicht stören, der nebenan im Bett liegt. "Er ist so verstört und depressiv, er redet aber gar nicht über seine Krankheit", sagt sie. Nur mit dem Bruder, der aus Mazedonien angereist sei, spreche er. Der Schwager kümmere sich gut um ihn, er habe die Untersuchungsergebnisse aus München sogar zu einem befreundeten Arzt nach Frankreich geschickt, um eventuelle Therapiemöglichkeiten abzuklären. Die Auskunft war ein Schock: Es gibt keine Therapie, es ist einfach zu spät.

"Er hat nie über Kopfschmerzen geklagt, er hatte nur Probleme mit dem Herzen", sagt Marina M. (alle Namen geändert) und klingt ganz ratlos. Miro M. kam vor sechs Jahren in den Landkreis und fand sofort eine Anstellung als Koch in einem renommierten Hotel. Nach der Diagnose hat er allerdings nicht mehr arbeiten können. Marina M., die ein Diplom in Betriebswirtschaft und Logistik hat, war im selben Hotel ganztägig als Zimmermädchen angestellt. Sie musste die Stelle aufgeben, als ihr Mann aus dem Krankenhaus entlassen und daheim gepflegt werden musste. Da sie gekündigt hat und derzeit auch keine neue Arbeit sucht, bekam sie drei Monate lang keine Arbeitslosenunterstützung. Die Familie muss also von ihren Ersparnissen leben. Zu den Sorgen um ihren Mann kommen existenzielle Probleme.

"Er braucht meine Zuwendung.": Um ihren kranken Mann zu pflegen, hat Marina M. ihre Arbeitsstelle gekündigt. Die vierköpfige Familie lebt seither von ihren Ersparnissen. (Foto: Oliver Killig/dpa)

Für Marina M. ist klar, dass sie hier bleiben will - sie spricht gut deutsch und will eine Ausbildung machen, zur Erzieherin oder zur Steuergehilfin. "Ökonomie ist meine liebste Sache", sagt sie, schließlich bringe sie Vorkenntnisse aus dem Studium mit. In die Arbeit mit Kindern hat sie ebenfalls bereits hineingeschnuppert. Seit zwei Jahren arbeitet sie in ihrer Mittagspause in einem Hort. Sie verteilt dann die Mittagessen an die Kinder, räumt auf. Dafür gibt es eine kleine Aufwandsentschädigung. Auch diesen Job musste sie vorerst für die Pflege ihres Mannes aufgeben. "Ich muss den ganzen Tag hier sein. Dreimal am Tag kommt der Pflegedienst, doch er braucht meine Zuwendung."

Mit den beiden Söhnen Marc, 11, und Tomas, 9, hat sie gesprochen. Die beiden wissen, dass der Papa schwer krank ist; dass er bald sterben wird, ahnen sie. Marc weine oft, sagt seine Mutter, Tomas ziehe sich zurück und weigere sich, mit den anderen Kindern zu spielen. Die beiden gehen in den Hort und werden von der Aktion Marienkäfer auch psychologisch betreut.

Marina M. selbst bekommt Zuspruch von der Nachbarschaftshilfe, für eine eigene psychologische Unterstützung fehlt ihr der Mut und das Geld. Zum Glück habe die Familie im März, kurz vor der Krebsdiagnose des Mannes, eine günstige Wohnung vom Zweckverband bekommen, sodass jetzt alle genügend Platz hätten, erzählt M. Denn in der vorherigen Wohnung hätte ihr Mann nicht daheim gepflegt werden können.

Doch nun fehlt noch vieles, was sie nach und nach anschaffen wollten, das Wichtigste ist ein Teppich. Weihnachten steht wie eine dunkle Wand vor ihr. Sie hat weder die Muße noch die Möglichkeiten, Geschenke zu besorgen. Der Elfjährige wünscht sich eine Spiele-Konsole, der Neunjährige möchte ein kleines Keyboard. Beide Kinder wollen nicht gern im Freien spielen. "Ich glaube, sie wollen in der Nähe des Papas sein", sagt Marina M.

© SZ vom 13.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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