SZ-Adventskalender:Auf sich allein gestellt

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Die Pflege ihrer schwerstkranken Tochter übersteigt die Kräfte der alleinerziehende Mutter schon länger, aber auch der Sohn leidet unter der Situation. Der SZ-Adventskalender will helfen, das Schicksal zu erleichtern

Von Blanche Mamer, Starnberg

Seit Sommer ist die zwölfjährige Christine in einer Pflegeeinrichtung für schwerst kranke Kinder. Im vergangenen Winter hatte sich ihr Gesundheitszustand verschlechtert - und zwar kontinuierlich. "Ich konnte einfach nicht mehr", gesteht Susanne Liebig (Name von der Redaktion geändert). "Ich bin alleinerziehend und habe auch einen achtjährigen Sohn." Bis dahin hatte sie das Kind daheim versorgt. Als sie endlich einen Pflegedienst gefunden hatte, der sie etwas entlasten sollte, wollte die Krankenkasse nur einen Teil für die Kinderkrankenschwester bezahlen - zu wenig für den Pflegedienst. Liebig blieb keine andere Wahl, als das Kind in eine Einrichtung zu geben.

Christine leidet an einer sehr seltenen Chromosomenstörung, eine Mutation, die wohl spontan und schon ganz am Anfang der Schwangerschaft passiert sein muss. Das führt zu einem viel zu geringen Gewicht des Fötus und dann zu einer Frühgeburt. Schon auf der Frühchenstation rieten die Ärzte zu einer Chromosomenuntersuchung, berichtet die Mutter, die damals noch jung war und in Nordrhein-Westfalen lebte. Danach war die geistige und körperliche Behinderung klar, das kleine Mädchen würde nicht wachsen, nie sprechen und gehen können. "Sie ist geistig etwa auf dem Stand einer Einjährigen und ist etwa so groß wie eine Vierjährige, sie gibt Laute von sich und kann krabbeln, sie hat kein Gefühl für Gefahren und wird das auch nie lernen." Sie kennt ihre Familie und freut sich, wenn sie daheim in ihrer alten Umgebung ist. Und sie kann in einem Gehgestell stehen und gehen, zählt die Mutter auf, was bisher erreicht wurde. Hier bräuchte Frau Liebig die Unterstützung des SZ-Adventskalenders. Die Kasse lehnt es nämlich ab, ein größeres Gehgestell für Christine zu finanzieren. "Da sie schon einen Rollator und einen speziellen Rolli hat, reicht das, wurde mir mitgeteilt. Mit dem Gehgestell ist sie sehr gut zurecht gekommen, sie konnte sich sogar selbstständig in der Wohnung bewegen", berichtet die Mutter. Das Gestell habe auch dazu beigetragen, dass das Mädchen besser atmen konnte. Da sie Probleme mit der Lunge hat, war das Aufrechtsstehen wichtig und hat ihr gut getan.

Auch wenn die Kleine in einem Heim ist, so darf sie doch während der Ferien und an Feiertagen nach Hause, und da wäre das Gehgestell praktisch. Die Wohnung im Hochparterre ist nicht behindertengerecht, die Kleine muss also immer hoch getragen werden. Zudem liegt der Parkplatz hinterm Haus, also keine leichte Aufgabe für die Mutter, die auch eher schmal und schlank ist. Christines Zimmer muss immer noch auf ihre Bedürfnisse hin eingerichtet bleiben. "Sie braucht ja ihr Zimmer, ihr Pflegebett", sagt Liebig. Irgendwie klingt sie erleichtert, dass sie jetzt mal durchatmen und über ihre Sorgen sprechen kann. Die finanziellen Nöte sind sogar größer geworden. Klar, jetzt fällt das Pflegegeld von 700 Euro weg. Und bei der Berechnung des Zuschusses aus Arbeitslosengeld II wird ihr das zweite Kinderzimmer angelastet.

Sie arbeitet als Schulbegleiterin im integrativen Bereich, "die einzige Möglichkeit für mich, in den Ferien frei zu haben und dann für die Kinder da sein zu können", sagt sie. Denn ihr geschiedener Mann kümmert sich so gut wie gar nicht um seine Kinder, auch nicht um den Buben, der gern Fußball spielt und so gern mal zu einem Spiel des FC Bayern München gehen würde. Der achtjährige Simon hat es sowieso nicht leicht und ist auch durch die Krankheit seiner Schwester und durch die Trennung der Eltern psychisch belastet. Er geht jetzt in die Montessori-Schule, was ihm sehr gut tut, wie seine Mutter feststellt.

"Doch das Schulgeld muss ich selbst aufbringen. Dafür gibt es keine Zuschüsse. Beim Jugendamt sagte man mir, alle Schulen seien Inklusionsschulen. Und wenn er seelisch angegriffen sei, gehöre er in eine heilpädagogische Einrichtung." Für Susanne Liebig käme das einer weiteren Ausgrenzung ihres Sohnes gleich. Der Bub solle sich endlich als normales Kind fühlen dürfen, findet sie. Unterstützung erfahre sie derzeit noch über den Münchner Verein "Kind im Schatten", der sich um benachteiligte Geschwisterkinder kümmert. Die Therapiegespräche müssen jetzt allerdings fürs kommende Jahr neu beantragt werden.

In sein Heft hat Simon als Weihnachtswunsch geschrieben, dass seine Schwester gesund werden soll. Zu einem Bayern-Spiel in die Allianz-Arena würde er gerne gehen, und Ski fahren. Die ganze Familie der Mutter hat für das Geschenk zusammengelegt, so dass er nach Weihnachten an einem dreitägigen Skikurs in Garmisch-Partenkirchen teilnehmen kann. Die Ausrüstung sei teils geliehen, teils von den Cousins geerbt, denen es finanziell besser geht, erzählt seine Mutter. "Fast alle seine Schulkameraden machen einen Kurs, darum war es mir wichtig, dass er dabei sein kann. Er muss ja schon auf vieles verzichten, was sich hier in der Region andere Kinder seines Alters jederzeit erlauben können."

Ihr Traum wäre, einmal richtig auszuspannen, bei einem Wellness-Wochenende mit türkischem Bad und Massagen für den angegriffenen Rücken.

© SZ vom 23.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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