Gastronomie in Steinebach:Neuer Schwung im alten Bahnhof

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Balinesische Küche wollen Aju Saraswati und Willy Müller im Steinebacher Bahnhof auf den Tisch bringen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Schon länger hatten Willy Müller und Ayu Saraswati ein Auge auf das historische Gebäude geworfen. Nun ist alles unter Dach und Fach - ab Herbst soll dort eine "Bali-Welt" entstehen.

Von Tim Graser, Wörthsee

Mit alten Bahnhöfen ist das ja immer so eine Sache. Da gibt es diese schönen historischen und meist denkmalgeschützten Gebäude im Ortskern. Für den Bahnbetrieb braucht man sie nicht mehr, also soll etwas für den Ort entstehen. Was in Herrsching aktuell Kopfschmerzen bereitet, ist in Steinebach schon vor langer Zeit gelungen: den Bahnhof kulturell nutzbar machen.

1997 hatten vier junge Freunde das leerstehende Gebäude angemietet und als Kneipe eröffnet - mit großem Erfolg: "Gästeansturm zum Auftakt", titelte die SZ nach der Eröffnung im Dezember 1997. Als "Kleeblatt" wurde das Viererwirtsgespann bestehend aus Hans Schlegel, Joachim Karg von Bebenburg, Susan Parsadust und Claudia Ochs damals bezeichnet. Sie verwandelten das "Steinebacher" in die Livemusik-Kultkneipe, von der die Generation Ü40 noch heute gerne schwärmt. Bekannte Acts waren Barbara Dennerlein oder Tiger Willi - sogar die Spider Murphy Gang hat im alten Bahnhof gespielt.

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Diese Erfolgsgeschichte sollte jedoch vor gut zehn Jahren ein Ende finden. Damals war schon länger das Gefühl aufgekommen, dass in dem Bahnhof etwas Neues geschehen müsse. Das 2008 eingeführte Rauchverbot in Gaststätten machte den vier Wirten einen Strich durch die Bilanz. "Das Ende einer Bahnhofs-Mission" lautete schließlich die SZ-Schlagzeile am 9. August 2010.

Neue Besitzer des denkmalgeschützten Gebäudes wurden Hermann Schweigert und seine Frau Dietlind von Laßberg. Die beiden kamen aus der Immobilienbranche und hatten damals viel investiert: Rund eine viertel Million Euro hat die Sanierung des Bahnhofs das Ehepaar gekostet. "Kultur und Kulinarik" hieß das Motto. Der Bahnhof sollte zum Wohnzimmer der Gemeinde werden.

Doch das Angebot sei von den Leuten nicht wirklich angenommen worden, klagte später der Wirt. 2015 schloss man dann den regulären Gastronomiebetrieb. Seitdem fanden dort neben Schlagzeugunterricht nur noch unregelmäßig private Firmen-, Hochzeits- oder Geburtstagsfeiern statt. Von einigen ehemaligen Gästen hört man, Schweigert sei nicht der ideale Wirt gewesen: zu harsch und nicht herzlich genug. "Nicht der Typ, zu dem man sich abends gern auf ein Bier reinhockt", so ein Kenner der früheren Kneipe.

Die Betreiber haben sich mit dem "Hot Chilli" in Gilching einen Namen gemacht

Den neuen Pächtern und Wirtsleuten, dem Ehepaar Willy Müller und Ayu Saraswati, sagt man hingegen das Gegenteil nach. Müller ist ein Wirt mit Herz, dem das Gästewohl über alles geht. "Bei denen fühlt man sich einfach wohl", begründet der neue Eigentümer, der den Bahnhof vergangenes Jahr erwarb, seine Entscheidung, an das Ehepaar aus Schondorf zu verpachten.

Ein unfreundliches "Küche hat schon zu, kommen Sie morgen wieder" gibt es bei Willy Müller, einem gebürtigen Wörthseer, nicht. Er ist nur wenige Hundert Meter von dem Lokal entfernt aufgewachsen und will im alten "Steinebacher" nun einen Ort schaffen, "wo man auch um 22 Uhr noch hingehen kann", sagt der 55-Jährige.

Der alte Steinebacher Bahnhof bekommt bald indonesisches Flair. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Um die Kulinarik kümmert sich indes seine Frau Ayu Saraswati, die auf Bali in einer Großfamilie aufwuchs. Die beiden haben in den vergangenen Jahren mit dem "Hot Chilli" in Gilching von sich reden gemacht. Ihre "Lange Tafel" - jeden Freitag gibt es ein preiswertes Fünf-Gänge-Überraschungsmenü - hat mittlerweile Kultstatus in der Region erlangt.

Auch Saraswatis Kochkurse über balinesische und andere asiatische Küche haben sich großer Beliebtheit erfreut. Sie selbst beschreibt ihre Küche als "modern asiatisch". Der Fokus liege zwar auf Bali, aber auch Einflüsse aus Vietnam und Thailand bindet die 49-Jährige ein. "Kann auch mal was Indisches sein", sagt ihr Mann mit einem Lächeln im Gesicht.

Das Ehepaar liebt es zu reisen, am liebsten in Asien. Das Essen steht dabei fast immer im Vordergrund. Egal wo es hin geht, Saraswati und ihr Mann versuchen immer, etwas dazuzulernen und ihr kulinarisches Kontingent zu erweitern. Das ist Teil ihrer Philosophie. Der Verzicht auf Convenience-Produkte ist für die beiden eine Selbstverständlichkeit. "Jede Frühlingsrolle ist bei uns selber gedreht", so Müller.

Das Konzept ging bisher gut auf: Seit 15 Jahren sind sie erfolgreich im Catering-Geschäft, seit acht Jahren gibt es das Gilchinger "Hot Chili". Das kleine Lokal im ehemaligen Café Bauernbäck in der Weßlinger Straße wird das Ehepaar zugunsten des Steinebacher Bahnhofs allerdings aufgeben. Die Verträge sind bereits aufgelöst.

Im kommenden Jahr soll das Wörthseer Kulturfest wieder im alten Bahnhof stattfinden

Eine "Bali-Welt" soll es im alten "Steinebacher" nun werden. Müller verhandelt deswegen schon mit Innenarchitekten. Die Voraussetzungen sind vielversprechend: Allein der 143 Quadratmeter große Gastraum fasst locker 85 Gäste, draußen wäre theoretisch Platz für weitere hundert. Genügend Parkplätze sind vorhanden, die Lage direkt an der S-Bahn ist ideal für Konzerte und Veranstaltungen. "Wir haben unseren eigenen Bahnhof vor der Haustür", sagt Saraswati schmunzelnd. Auch die Küche ist gut in Schuss.

Wie genau das Konzept zur Eröffnung im Herbst aussehen wird, steht noch nicht ganz fest. Die wöchentliche "Lange Tafel" wird beibehalten, auch Kulturevents soll es geben, so viel ist sicher. Aber wie regelmäßig, weiß man noch nicht. Ihr neunköpfiges Team aus dem "Hot Chilli" nehmen die beiden mit. Im weitaus größeren "Steinebacher" bräuchten sie aber eher sechzehn bis zwanzig Leute. Die Personalakquise läuft bereits.

Auf jeden Fall dürfen sich die Wörthseer auf einen neuen Treffpunkt freuen. Mit Juliane Seeliger, Kulturbeauftragte der Gemeinde Wörthsee, ist Müller bereits im Kontakt. Schon im kommenden Jahr soll das Wörthseer Kulturfest wieder im alten Steinebacher Bahnhof stattfinden.

"Kann auch mal was Indisches sein": Aju Saraswati und Willy Müller wollen im Steinebacher Bahnhof asiatische Küche auf den Tisch bringen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Einziger Wermutstropfen: Schlagzeugunterricht wird es im alten Bahnhof in Zukunft nicht mehr geben. Viele Wörthseer waren bei Jan Zelinka im Unterricht, der jetzt eine neue Bleibe sucht. Doch er hat Verständnis für seinen Auszug. "Dass das hier keine Dauerlösung ist, war mir von Anfang an klar", sagt Zelinka, der die vergangenen fünf Jahre Nachwuchsdrummer im alten Bahnhof ausbildete. Die beiden Wohnungen im Obergeschoss sollen zukünftig dem Personal zu Gute kommen.

Die Kulturbeauftrage Juliane Seeliger schaut indes gespannt auf die Eröffnung im Herbst. "Ich freu mich sehr darüber, dass es wieder ein Restaurant geben wird und dass die auch die Bühne beibehalten wollen." Vor allem Live-Musik wünscht sie sich für den neuen alten Bahnhof. "Die Musikbühne fehlt in Wörthsee eigentlich komplett", so Seeliger.

Ob es Willy Müller und Ayu Saraswati gelingt, das "alte Steinebacher Gefühl" im neuen Bali-Look wieder aufleben zu lassen - diesen Anspruch formuliert Müller durchaus selbstbewusst -, das können sie ab Herbst beweisen. Ein genauer Eröffnungstermin steht noch nicht fest, die Gastronomiegenehmigung vom Starnberger Landratsamt steht noch aus. Bis dahin wollen Müller und Saraswati umbauen, neu möblieren - und genügend Personal suchen.

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