Stegen:Der virtuose Lokalmatador

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Mal böse, mal nachdenklich-melancholisch: der Kabarettist Martin Schmitt in Stegen. (Foto: Georgine Treybal)

"Sexbomb" auf Sächsisch und Rotkäppchen im Behördendeutsch: Der Musikkabarettist Martin Schmitt begeistert in der ausverkauften Alten Brauerei sein Publikum.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Stegen

Martin Schmitt ist ein virtuoser Pianist. Er greift mit einer Geschwindigkeit in die Tasten des Bösendorfer Flügels, dass die Finger kaum zu sehen sind. Dabei plappert er scheinbar unverfänglich vor sich hin. Einzig an der Röte, die sich an seinem Hals hoch bis hinter das Ohr zieht, ist zu erkennen, welche Konzentration seine Darbietung erfordert. "Es ist schwerer, als es aussieht", witzelt der mehrfach ausgezeichnete Musikkabarettist.

Spätestens, wenn er die Augenbrauen hochzieht und sein Lausbubenlächeln aufsetzt, weiß das Publikum: Jetzt kommt eine Geschichte. Mal ist sie böse, mal nachdenklich-melancholisch, immer aber sind es Szenen, die mitten aus dem Leben gegriffen sind und die Schmitts Zuhörer nachvollziehen können, weil sie sie alle so oder so ähnlich schon mal erlebt haben.

Seine Mischung aus selbst komponierten Songs, Gedichten und Geschichten sowie klassischen Blues- und Boogie-Woogie-Nummern am Donnerstag in der ausverkauften Brauerei Stegen kam an. Schon nach kürzester Zeit wippten die Besucher mit Händen und Füßen, klatschten oder sangen begeistert mit. Schon vor zwei Jahren sei er in der Alten Brauerei aufgetreten, mitten in der Pandemie, erzählt er. Damals seien nur 30 Besucher da gewesen. Am Donnerstagabend waren es 160.

Schmitt erzählt stets von kuriosen Szenen, über die sich die Besucher bestens amüsieren

Martin Schmitt ist ein Lokalmatador, der in Gräfelfing aufgewachsen ist und nun in Hechendorf wohnt. Seine Karriere begann 1986 in einem Münchener Kellerlokal. Einige Stammgäste begleiten ihn schon "from the very beginning" an. Schmitt begrüßt sie einzeln. Er redet bairisch, ist aber durchaus multilingual, zumindest wenn es um Dialekte und Akzente geht. Bei einer fiktiven Zugfahrt quer durch Deutschland wird man geradezu überrollt von seinem Sprachtalent. Seine Interpretation des Songs "Sexbomb" von Tom Jones im sächsischen Dialekt reißt das Publikum zu wahren Lachsalven hin.

Zwar sind zumindest die Stammgäste mit dem Song bestens vertraut, aber das Publikum liebt diese Vorstellung ebenso wie seine manchmal allzu flachen Witze, bei denen er selbst das Urteil "political incorrectness" vorausschickt, sodass man es ihm nicht übelnehmen kann und die Besucher ohne schlechtes Gewissen herzhaft lachen dürfen. Egal ob er als leicht verwirrter österreichischer Polizist Fischdosen mit dem Gummiknüppel öffnet, das Märchen Rotkäppchen im Behördendeutsch vorliest oder im besten Schweizerdeutsch über die Schwierigkeiten beim Abbrechen von Toblerone-Dreiecken schwadroniert - immer sind es kuriose Szenen, über die sich die Besucher bestens amüsieren.

Dann wieder wird Schmitt nachdenklich, beispielsweise in dem Lied über den Tod seiner Großmutter. "Wer denkt an Dich, wenn es Dich nicht mehr gibt?", fragt er in der Ballade. Oder "weißt Du, was passiert, wenn man das letzte Mal geht?" Er selbst würde gerne einen letzten guten Spruch auf Lager haben, wenn er abtritt.

Ohne Übergang erklärt er die Unterschiede zwischen Boogie-Woogie und Harlem Stride Piano ("die linke Hand ersetzt die Band und die rechte die Bläser"), während seine Hände locker über die Tasten gleiten. Er lobt das nette und herzliche Publikum in Stegen, das ganz anders sei als das in der Oberpfalz, wo das Klavier entweder verstimmt oder - noch schlimmer - gar nicht vorhanden sei. Dann wiederum spielt Schmitt verschiedene Varianten durch, wie ein Mann verlassen werden kann und beteiligt das Publikum an seinen Denkspielen.

Dazwischen greift er spontan Geräusche aus dem Zuschauerraum auf wie das Piepsen eins Handys. "Magst ein Solo singen, ich begleite dich gerne", sagt er zu einem Mann, der weitersingt, ohne zu bemerken, dass das Publikum den Refrain schon längst beendet hat. Je länger der Abend, umso besser werden Schmitts Gags, die stets untermalt sind von hohem musikalischen Niveau. Er ist halt ein Virtuose.

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